So oder so eine Kunst: Humor mehr durnterzuschieben und weniger durch Slapstick aufzupushen.
Heute wieder fest vorgenommen, kein Geld auszugeben.
Unkompliziert ist unter meiner Würde (Meyerhoff).
Ganz wichtig: man tut so, man sei. Nur muss es später ne Rückkopplung geben, was Selbstironisches, irgendwas. Lesen am Morgen.
Ich erwarte Vollsein durch die Liebe. Von der Liebe. Geht ja alles nicht. Bin immer wieder verblüfft, wie leer sie einen macht und wie leer sie einen zurücklassen kann.
Am Schottentor bitte ich jemanden, der seine Kreissäge wie ein Modeaccessoire an seinen Gürtel geklemmt hat, die Kreissäge im 46er bitte nicht anzumachen. Er wird daraufhin aggressiv.
Manchmal glaube ich, diese kleinen Fliegen gebären sich selbst. Nichts surrt in meinem Zimmer, dann mache ich Kaffee und sofort kommt eine als Fluchtfliege getarnte Kaffeefliege und klebt am angetrockneten Schaum. Davor nie gesehen, Kaffee ist da, plötzlich Invasion.
Auf den letzten Metern.
Kann ein Text besser werden, wenn man jeden zweiten Satz löscht und ihn dann von oben nach unten liest? Ich frag mich das ernsthaft.
Neben mir sitzt jemand, der sich alle 20 Sekunden Hust- und Niesgeräusche anhört und sein Handy immer lauter dreht. Er trinkt Gin Tonic.
Wenn ich jemandem begegne, der nicht meinen Humor hat, dann kommt mir mein eigener Humor immer sehr dürftig vor. Da macht man nen Gag, der da grad so durch den Strafraum fliegt, man pariert okay, und dann wirst du angeguckt als bestündest du nur aus Haarausfall und Schuppen aufm Pulli. Unfassbar, das kann sich binnen Millisekunden drehen.
Weil ich mal wieder nicht weiß, was ich machen soll samstags um 15:30, besser lesen oder Konferenz, mache ich einfach beides. Und weil mein Bett frisch bezogen ist und die Kissen so fluffig aussehen, will ich mich nicht hinten anlehnen, sondern liege halb ungemütlich aufm Bauch und switche zwischen Boniface, Frimpong, der Kantstraße, SA-Truppen und Varian Fry.
Lauter erste Male. Überall ploppen sie auf. Zum ersten Mal eine Sensodyne-Zahnbürste gekauft mit blauen Bürstenspitzen. Zum ersten Mal auf die Größen der Zucchini im Doppelpack geachtet. Zum ersten Mal vertrocknen die Blumen rechts von mir. Ich kriege Panik. Zum ersten Mal sammle ich Briefe für Pauli.
Ich bin mal wieder in Paukanien angekommen, ernähre mich von Erdnussbutter und Honig auf Graubrot für 1,59€ von Spar. Eine Sprudelwasserflasche, Unterlagen vom AMS, Geburtstagsbriefe und Blumen um mich herum. Im Hintergrund die Waschmaschine und ich überlege, warum Juli Zeh so schlechte Bücher schreibt. Und was mich an der ganzen Sache so ankäst, ist die Lässigkeit des schlechten Stils. Danach frage ich mich, wann mein neues Eisenregal ankommt, das ich in meinen Türverschlag einspannen will.
Dieses andauernde Präteritum fickt mich tot.
Probleme mit Es und Äs. Was wann wie wo?
Vor einem Jahr Lucha Libre in Mexiko. Was ist seitdem alles passiert?
Begreife jetzt erst so langsam
den ganzen, das ganze Korrekturprogramm
Über das Rote drüberweglesen
einfach so lassen für den Moment und ein Gefühl für den Ton bekommen
einfach mal nur Ton, und ob er besser ist als das, was ich davor dahergewurschtet habe
Und dann: annehmen/ablehnen, also nicht von der Korrektur aus, sondern vom Text
Ist das soweit verständlich?
Weil wenn der Text über die Korrektur bestimmt, dann ist es vom Spontangefühl her besser
In zwei Minuten drehe ich es eh wieder um und das ist ja dann auch gut
Nein, der erste Satz bleibt genauso. Nicht noch mehr Kommas rein. Auch keine Tempusveränderung.
Der Faulknereffekt ist: Schwindelanfälle, weil die Sätze so kurz sind.
Beweis: Es gibt sie, die neoliberalen Gurkerlfaschisten.
Wir sind danach noch ins Prassnik, und ich muss wieder rummeckern, dass ich Raucherkneipen nicht mag. Dabei ist alles superschön, und Leon steht auf, weil er die zurückgelassenen Stühle wieder an die Wand lehnen will und es dann doch nicht macht.
Gegoogelt: Gaslighting, Camila Cabello, Quotient, Faktor.
Laufe die Frankfurter Allee hoch, und mein erster Gedanke ist: In Berlin gibts viele Sachen.
Also wenn ich jetzt im Ruhebereich sage, wir sind im Ruhebereich, dann müsste ich zu jedem Einzelnen hingehen und sagen, wir sind im Ruhebereich. Alle reden. Und alle anderthalb Sekunden kommt ein neuer Sound eines hochgeschobenen Reels.
Du hast es jetzt zu einem Rimowa geschafft, du wirst es auch zu weiteren Rimowas schaffen.
P.
Überhaupt mal wieder reinkommen in dieses Schreiben hier. Diese Form nochmal neu umwurschteln. Ich versuche einen einfachen Text zu schreiben. Einen ganz einfachen, fürs Radio am Samstag. Davor alles auf die Externe und das Apothekensackerl zeigt den Herbst an. Cremes Cremes Cremes, leere iPhone-Pappschachteln, Barbourjacken und das Wort SAUGEN in meinem Moleskine, ein Bild auf einer Postkarte ausm Moltke mit zwei auf rauen Holzdielen liegenden Frauen, Caps im Gesicht, dahinter eine andere Postkarte, allerdings hochkant, von der man nur das Also, lesen kann. Danach das weite Meer und die Caps im Gesicht.
Insgesamt leide ich unter einer grotesk verzerrten Wahrnehmung meiner zeitlichen Ressourcen. Kann mir kaum erklären, woher das kommt. Was ich manchmal denke, in einer Stunde alles schaffen zu können, das kriegt die KI nichtmal in nem Jahr hin.
Sehe grad unglaublich gut aus.
Manchmal wäre ich gern ein Cowboy.
Auf entspannt. St. Veit an der Glan.
Svevo, Barthes, Proust. Und: Carlo. Kein Scherz.
6 Stunden mit Hannes und Bleistift, parallel immer wieder Supercup, drei offene Tabs. Heute Korrekturen übertragen, dann abgeschickt.
Zwei Wochen vor Abgabe: Alle Namen stehen.
Wann Perfekt und wann Präteritum? Für die Mündlichkeit immer Perfekt, aber im Schriftbild beschissen, muss da irgendwie mogeln.
Zum ersten Mal ein DB-Ticket gebucht für den ICE 103, der mir beim Buchen schon als Ausfall angezeigt wird. 15€. Köln nach Freiburg. Ist jetzt automatisch die Bindung aufgehoben und ich kann rumflexen?
Muss den Absprung jetzt in den Roman schaffen.
Bevor ich den Genitiv benutze, lieber eine krumme Formulierung. Bloß nichts richtig schreiben.
Dadurch, dass es Tommi und Palkowski gibt und Palkowski Tommi wird und der ursprüngliche Tommi rausfliegt, kann ich das nicht über die aus dem Nichts wieder funktionierende Suchfunktion machen, sondern mache alles händisch, sonst komm ich durch den Tüddel. Manuell, kann man auch sagen.
Anhand der zwischen meinem Therapeuten und mir auf dem kleinen Ikeatisch stehenden Kleenexpackung, aus der ein recyclites Papiertaschentuch rausguckt, erkläre ich ihm, wo ich grad im Roman stehe, weil er mich fragt, wies so läuft und so und warum ich, wenn ich die 21 Kapitel schon fertig habe, überhaupt noch dran arbeite. Ich nehme also diese Kleenexpackung und sage, stellen Sie sich vor, ich will einen Roman über die Kleenexpackung schreiben. Ja, sagt er. Und jetzt, sehen Sie, ich habe eine Kleenexpackung, super, könnte man denken. Ja, sagt er und guckt irritiert. Aber ich will, dass das Papiertuch genauer und also ein minibisschen anders aus dieser Kleenexpackung rausguckt, also muss ich es ändern. Ich zupfe an der unteren Seite und das ganze Tuch verändert seine Position innerhalb der Packung. So ist es, sage ich, korrigiere ich hier, verändert sich das gesamte Baugerüst. Anders gesagt, verändere ich Kap 17, kann sein, dass in Kap 3 eine Wortstellung umgedreht werden muss, oder ein Bezug kein Bogen und auch kein Bezug mehr ist, sondern nur noch ein leerer Satz, also weg. Und fertig ist der Text, sage ich, wenn ich erstens hier unten korrigiere und nichts mehr sich da oben verändert, und zweitens: wenn ich nichts mehr korrigieren muss.
Wieder hellgelbe Sonne und Melange.
Eine der unterschätztesten Befriedigungen ist der Moment, wenn mein Mac mir sagt, nur noch 10% Akku und ich in der Nähe meines Ladekabels sitze. Dann koste ich es immer aus, bis er auf 1 runter ist, um kurz vor dem Ende die für meinen Akku unerwartete Rettungsaktion zu starten. Dann das Geräusch des Andockens. Perfekte Welt.
Das Zusammengeschobene als das Reale behaupten irgendwie.
Kurz Regen, kurz Schweden. Sofort Kapuzenpulli an, auch wenn zu warm.
Vögeln ist ein Akt, keine Haltung.
Der letzte große Elefant.
Das aufgeknöpfte Hemd liegt jetzt schräg, fast ganz flach auf der Bank mitten im Café und pult genüsslich telefonierend in seinen Zehenzwischenräumen und umarmt seine Knie. Die Lippen umgestülpt. Jetzt riecht er an seinen Fingern.
Wenn der Typ mit dem aufdringlich aufgeknöpften Hemd in Seemannsoptik von meinem Stammplatz gehen würde. Ich warte schon sehr lange und will die Hoffnung nicht aufgeben.
"Meistens schreibe ich nicht, was ich will, sondern was ich kann."
Molnar.
Eine Figur wird nicht sympathischer, indem sie plötzlich alles lächelnd sagt. Muss durch Handlung passieren.
Im Laurence-Sterne-Schuber hat sich eine Wespe ein Tunnel gebaut. Hallo, Wespe.
1 und 2 stehen, nur noch Minimalstveränderungen. Sind da zu viele Namen drin? Kaffee zum ersten Mal mit Untertasse, sieht alles viel schöner aus. Der Kutschkermarkt wird abgespritzt.
Sünching und Neustadt an der Waldnaab. Ich liebe Deutschland.
Auch wenn ich die GLS-Geschichte mag und GLS ja super furchtbar ist, sie passt platztechnisch nicht mehr rein. Nicht alles, was ich mag, kommt im Roman vor. Ich streiche weiter fleißig weg.
Wäre ich heute auch nicht vorangekommen, ich wäre abgehauen, nach Bludenz oder Bad Gastein oder so.
Wolfram schreibt, die Phase KURZ DAVOR ist die tollste, weil man ja auch nur durch knappe Wortveränderungen merkt, da kann was Großartiges entstehen. Mein KURZ DAVOR aber grad totale Ratlosigkeit. Streiche ich 15 und 16 jetzt zusammen? Kap 1 nochmal gelesen und das Wort schräg kommt zweimal vor und ich bin fast von der Brücke gesprungen. Bis ich gemerkt habe, einmal heißt es schräg, dann heißt es schwarz.
Letztens folgende Geschichte gehört. Da sagt einer, seine ehemalige Klassenkameradin sei Architektin und gleichzeitig Vegetarierin. Und ich fragte, was hat das miteinander zutun. Und da meinte er, das sei alles sehr blöd, weil sie grad ein Schlachtereibetrieb in Köln, richtig große Sache mit 10.000 Tieren oder so, entwerfen müsste. Betretenes Schweigen. Aber, sagte sie, meine Bauzeichnerin hats schlimmer, die ist vegan.
Die Lust an der Beschleunigung treibt mich manchmal in die Lähmung rein.
Sagte er so neunmalklug.
Bukahara.
Den ganzen Tag nicht arbeiten können, einfach wegen Einengungsfaschismus in der ÖBB und Geschwätz im Ruhebereich, für das ich die letzte halbe Stunde sogar Toleranz aufbringen konnte. Am schlimmsten aber die betonharten Armlehnen, die einen entweder zwingen wie ein Schmalficker zu schreiben oder man legt die Arme oben drauf und rutscht bei jedem Relativsatz runter. So kann ich nicht arbeiten. Weil danach auch enorme Hitze. Morgen, morgen muss.
Statt besaß schreibe ich hatte. Auch wenn Tempus falsch, aber lieber falsches Tempus als schlechter Sound.
Im Minutentakt knall ich den Internetroman ins Internet.
So hängengeblieben, dass man jetzt wieder diskutieren muss, wieviel Satire darf. Und auch so unfassbar lustig, dass man es wirklich diskutiert. Und Leute an Tischen sitzen und sagen, ja aber das.
Was ist, wenn man für den gleichen Inhalt keine andere Form findet?
Bei der Aussprache dieser beiden Wörter komme ich mächtig ins schwitzen.
Gastank.
Gestank.
Obwohl nur ein Buchstabe anders ist, die ganze Konstruktion fickt mir das Hirn weg.
Die Wydralette will Merch machen und jetzt will ich auch Merch machen. Das müssen wir planen, das wird groß.
Einigermaßen zusammengehauen alles. Wieviel Überfluss ich an so schlechten Schreibtagen produziere, dann einfach, wie gestern, aufhören und coole Sachen machen wie Bierli trinken oder in die Donau hüpfen. Das ist doch alles viel sinnvoller, als krampfhaft an der Aussichtslosigkeit rumzuklabüsern.
Gottloses Barthaar im Kaffee.
So ziemlich wie ein Sandwich. Nora und Valeria verkörpern auf völlig logische Art und Weise Lebensleichtigkeit. Nora, weil sie unbegrenzt Geld zur Verfügung hat. Und Valeria, weil sie weiß, sie stirbt. Beide erkennen ihre Realität aber nicht an. Diejenigen, die ihre Realität anerkennen, sind Masha und Iggy, und wollen (durch den Film) möglichst schnell exakt daraus flüchten. Ihre Lebensleichtigkeit ist nicht dauerhaft, sondern nur kurzfristig. Schlussendlich sind sie aber die Glücklicheren, weil sie sich ans Ringen klammern müssen.
Der langweiligste Tag seit langem.
Mit das Enttäuschendste, was dir auf diesem Planeten passieren kann, ist, wenn du dich seit Wochen auf Apfelpfannkuchen freust und die Apfelpfannkuchen nach fauler Tomatensoße schmecken, weil die Pfanne nicht richtig abgewaschen wurde. Ist mir aber nicht passiert.
Ich weiß es grad wirklich nicht: Schreibt man Papst oder Pabst. Ohne zu googeln. Papst oder Pabst?
Heute mach ich Apfelpfannkuchen. Da verlass dich mal drauf.
Muss mal wieder Fingernägel schneiden.
PU genehmigt. Im Verlag lief das Gespräch so ab.
Es gibt einen super Titelvorschlag.
C: Der ist toll.
Alle anderen nicken.
Jetzt können wir an die Cover gehen. Peter?
Vorhänge zu, flattern in Zeitlupe vom dünnen Wind, der keine Kühle bringt.
Ich propagiere nach außen immer das Scheitern als einen Wert soundso. Dabei kann ich es null akzeptieren, wenn ich etwas nicht hinbekomme. Es ist ja auch richtig, dass das Scheitern einen voranbringt, jaja, aber mich nervt vor anderen diese selbstperformte Heroisierungsgeschichte. Man muss halt scheitern (und hasste sich währenddessen).
Weil ich so schlecht in der Schule war, grad in Deutsch, und in jedem Aufsatz mit dem Wort UND operierte, wurde mir das radikal immer als SCHLECHTES DEUTSCH ausgelegt, und hätte ich Noten bekommen, wäre ich als schuluntauglich abqualifiziert und zu Nissan geschickt worden oder so. Wie mir das auch einmal nahegelegt wurde mit 16. Frau Stein meinte, Ihnen gefällt es doch so als Kfz-Mechatroniker, machen Sie das doch. Und jetzt schuster ich mir einen Roman zurecht, der aus einem einzigen Wort besteht: Und.
Beschleunigungstotalitarismus.
Hätte gern ne Liste der Bücher, die ich meinte kaufen zu müssen und bis heute nie gelesen und teilweise sogar vergessen habe. Oft bin ich da wie ein 5jähriger – ich muss das haben – und zuhause ist wieder was ganz anderes interessant. Und der Scherz ist, die ungelesenen Bücher wären in der Buchhandlung verlockender, aber zuhause haben sie so einen komischen Status des Eh-schon-Besitzens. Hab noch nicht kapiert, eins nach dem andern, und ich bin jetzt fast 30. Die manische Anhäufung kippt nach Wochen und Jahren des quälenden Blicks auf den durch die Sonneneinstrahlung immer blasser werdenden Buchrückens in ein plumpes Na-dann-halt-nicht, ich reisse es raus und verkaufe das 32€-Hardcover für 15 Cent an momox. Czollek, dachte ich, lese ich mal, immer noch ungelesen. Oder die andern Titel neben dem Meister des Jüngsten Tages von Perutz. Zehrer, Poe, Gotthelf, Sterblich, selbst von der Hegemann habe ich zwei Taschenbücher hier stehen, deren Klebung schon so hart und deren Seiten fast braun sind vor lauter Rumgestehe – nie gelesen. Auch gut: Manche Aussortierten kaufe ich einfach nochmal, weil sie neuer und die Ausgaben besser sind, in der Hoffnung, sie dann zu lesen. Vergeblich.
Zwei neue Regeln. Nummer eins.
Es ist zehn.
Und Nummer zwei.
Den Spritverbrauch möglichst gering halten.
Ich denke, ich korrigiere nur mal schnell was in Kapitel 20 zackzack. Dann aber abstruses Wanken des Gerüstes und ich sehe: hat Potenzial für noch mehr Rausstreichen. Also beisse ich mich fest, bis das, was ich davor in 14 Sätzen sage, in drei dasteht. Geht nicht immer.
Aus RF wird das Kürzel PU.
Der ICE 1577 hält auch in Wabern (Bz Kassel), Treysa, Marburg (Lahn), Friedberg (Hess), Bensheim und Weinheim (Bergstr)Hbf. Abenteuerlich. Fahren wir nach Wabern bzw. nach Kassel oder gehen wir in Bensheim steil?
Wahnsinnig langsam, aber ich ziehe die Kapitel zusammen und arbeite an den Übergängen.
Eigentlich habe ich auch einen Titel. Der fühlt sich gut an. Und wer ihn errät, der bekommt gar nichts.
Die tägliche, kirre machende und mit viel zu vielen besprochene Suche nach einem Titel. Ich habe nur Wörter. Richtig. Ungefähr. Hauptsache. Fett. Prinzip. Käse. Vögeln. Obwohl Vögeln als Teil des Titels nie ernsthaft in Betracht kam. Weil das Wort kleben oft vorkommt: Was mit kleben? Sonst auch Fan von Schleim. Aber das ist kein experimenteller Roman. Sowas kann ich nicht, sowas will ich nicht. Ich will Handlung reinschustern irgendwie.
Ich weiß auch nicht, welchen Roman ich grad lesen soll. Alles ist falsch und unbefriedigend. Und ich stehe vor einem großen Scheitern. Wenn jemand einen guten Roman hat, freue mich über Vorschläge.
Neues Wort: Keratosen. Ein roter, juckender Fleck auf der Haut. Fragen Sie die Dermatologin Ihres Vertrauens.
Selbst die Hausnummer googel ich und springe mit dem gelben Männchen bei Google Maps auf die blauen Flecken. Werde ich jetzt zum Hyperrealisten? Ordnung muss sein.
Insgesamt: ich denke zu kompliziert.
Ich habe in meinem Leben zwei Dinge gelernt. Erstens: Es gibt nichts Schöneres, als um 6:58 Uhr mit Nonno im von der Nacht noch feuchten Garten über einen Karosseriemechaniker aus Kalabrien zu sprechen und dabei lauwarmen Espresso zu trinken. Und zweitens: Das Vorurteil, die Italienerinnen seien immer zu spät, kann ich nicht bestätigen. Um 7:39 Uhr kam Dino, vereinbart war 7:40, um 8:25 sitze ich im Autobus CB707 nach Roma Termini, pünktlichst starte ich von da zum Flughafen. Nur in Hamburg ist die S-Bahn vertrödelt (eigentlich nicht, aber sonst gäbs keine Pointe).
Ich lese einen Text, den ich sehr mag, und korrigiere meinen eigenen Text nach den Regeln dessen, was ich da grad gelesen habe. So ändert und verschiebt sich immer alles und ich werde nie fertig. Das erste Kapitel jetzt aber mal festgeklebt.
Eine Konzentration gilt es zu erarbeiten. Die ist nicht einfach da.
Und was dabei gar nicht hilft, mein iPhone.
Empfang ist ein Huso.
Wood ist sich auch sicher, dass Dialoge, die dazu da sind, um Informationen an die Leserin zu tragen und darüberhinaus keinen Wert haben, beknackt sind. Endlich sagts mal jemand. Daran merke ich immer, dass der Dialog falsch ist, wenn ich eine Figur eine Frage stellen lasse, um zum nächsten Punkt zu kommen. Die von außen draufgepfropfte Künstlichkeit ist falsches Schreiben. Kafka kommt bei ihm kaum vor, umso mehr: Saul Bellow, mehr Sebald als Thomas Mann, von Bernhard nur Wittgensteins Neffe, häufiger sucht er Beispiele bei McEwan. Der scharfe Blick in die Texte hilft, aber seine ausgewählten Zitate, bis auf die von Flaubert, da passiert in mir nix. Wieder gut: Das Scheitern eines Romans entscheidet sich, wie ich meine, nicht daran, ob seine Figuren lebendig oder tief genug sind, ein Roman droht vielmehr dann zu scheitern, wenn er es uns nicht beibrachte, uns auf seine Regeln einzustellen, wenn er es nicht verstand, einen spezifischen Hunger auf seine eigenen Figuren, seine eigene Wirklichkeit zu wecken. So sagt Wood es. Ich will ja immer ein System begreifen, weil Systeme sind schwieriger nachzuahmen als Töne oder Ressentiments, Abwertungen sind einfacher zu beschreiben als ein schlichtes ich mag dich, und zwar ohne ein Aber am Ende. Ich mag dich aber, das ist trotzig, also wieder besser beschreibbar. Ich kann (ist es von Barthes?) gut verstehen, dass ich liebe dich reinster Kitsch ist. Das ist auf ne Art richtig. Die Frage ist, wie das Umfeld gesetzt wird, um dieses Ich liebe dich drumherum. An Maar, der hoffentlich eine zweite Stilstudie schreibt, schön mit fettem Rowohlt-Vorschuss, kommt niemand ran. Weil: Beim Stil kommts auf jedes Wort an, nicht auf jedes Einzelne, wir wollen nicht übertreiben … So sagt das Maar, und das ist ja auch viel richtiger, viel richtiger in dem, was es aussagt: nämlich weil der perfekte Stil ist unauffindbar und es ist reiner Kitsch, zu sagen, hier stimmt jedes Wort blabla, weils auch falsch ist, kann nämlich gar nicht sein. Und dann der Zusatz Wir wollen nicht übertreiben. Das ist das Antiprofessorale, der Gag, so Leute, Goethen netter Jung, Rhetoriken gut, aber wir beruhigen uns alle mal. Es ist immer endsanstrengend, wenn die Literatur sakralisiert wird, weil dann sind wir nämlich in der Hurenkindgenieästhetik und die ist das Ende.
Ich schreibe teilweise Wochen im Voraus Mails an Johanna und Jessica, um mir selbst die Textentwicklung ganz klar zu erzählen. Die Mails formuliere ich immer wieder um, mitunter täglich, bis sie schlussendlich so klingen:
Liebe Jessica, das ist die zweite Fassung. Bis bald am Yppenplatz.
Das liegt vor allem daran, dass ich den Inhalt nicht auch noch zusätzlich ausdeuten will oder darauf mit meinem kleinen Stinkefinger hinweisen: aber schau da, das schöne Bild; oder dieses Wort; oder jene Figur. Alles Käse. Wenns niemand blickt, aus dem Text heraus blickt, muss ich eh nochmal ran.
Das gilt im übrigen für alles.
Das sowas immer wieder wächst: mein Bart und meine Nägel. Vergesse ich oft tagelang.
Immer größerer Fan vom Neinsagen. Fast schon irre, aber ich schaffs grad auch. Ziemlich überrascht. Ob ich es in einer Stunde immer noch kann?
In Wien ist herbstliche Kälte. Und als ich letzte Woche in Hamburg war: Winter. Abends konnte ich meinen Atem sehen. Als ich im Juni 2019 in Hamburg Eis ausgefahren habe, machte Luicellas kaum Umsatz, der gesamte Juni hatte nur 17 Sonnenstunden.
Am informativsten: Dass die Steuerfahndung bei Boris Becker die Aktivität des Klodeckels geprüft hat, um herauszubekommen, wo er seinen Hauptwohnsitz tatsächlich hat.
Fahre grad durch Bayern. Ziemlich hängengeblieben alles. Allein dass beim Hochwasserschutz massiv eingespart und stattdessen das Gendern verboten wurde. Du musst halt auch immer Prios setzen.
Das braune Wasser sprudelt um die Bäume. Wenn man nicht wüsste, dass Tonnen von Marmeladenvorräten in den Kellern weggeschwemmt wurden, könnte man fast sagen: schön.
Seit zwei Jahren besitze ich die Dickies 874 Original Arbeitshose in dunkelbraun, dann habe ich gemerkt, nichts von meinen Sachen passt zu braun. Schwarz? Blau? Mit einem rosa Hoodie könnte es gehen.
Heute Nacht vom Regen aufgewacht. Die an vier dünnen Kabeln befestigte Leuchte ruckelte hin und her. Am offenen Fenster rieche ich raus. Ich war so verschlafen, und trotzdem war ich ganz klar.
Ich esse mal ein Kinder Pinguí. Und ich musste es googeln, tatsächlich ohne n am Ende und mit diesem schrägen í, fast schon manieriert. Aber himmlisch.
Völlig übertrieben, meine Reaktion.
Dadurch, dass die Rahmenhandlung, die nie eine war, jetzt futsch ist und das erste Kapitel in den Dritten Teil kommt, wirkt es so, als hätte ich 18 Monate an einem Kapitel gearbeitet, dass ich jetzt zurückstreichen muss, weil die mühsam erarbeiteten Facts ja schon seit 150 Seiten allen bekannt sind.
Ungefähre Hauptsache. Ungefähre Unschärfe. Ist das nicht zu umständlich? Oder genial?
Schreiben ist ja auch immer ranschreiben an was.
Lustiger wärs, wenns lustiger wär.
Mit das Schlimmste beim arbeiten: knallende Türen. Ich meine nicht wütend zugeschlagene Türen. Sondern Türen, die man nicht zugemacht hat und um die sich der Wind kümmert. Sie rauschen in den Rahmen, gehen unhörbar wieder auf, und wieder. Oder so ein Durchzug, die Hölle.
Regen. Drinnen leuchten meine beiden Lampen aufm Schreibtisch. Das Dach gegenüber glänzt wellig. Um mich rum: Bücherstapel. Ein Auto saust durch eine Pfütze. Die unbezahlten Rechnungen liegen rechts von mir, dahinter eine Liste mit Theaterstücken. Ich muss noch Wäsche abhängen und unser Staubsauger ist kaputt. Aber der Regen: wie sanft er einschlägt, das ist wunderschön.
Es ist ja dann auch scheißegal, wie lange du am ersten Kapitel arbeitest. Wenn es am Ende nicht mehr passt, muss es raus. Und nach 15 Monaten Drüberarbeiten ist es jetzt soweit: komplett neues erstes Kapitel. Und irre: viel besser. Sollte ich immer so machen.
Spricht sie nicht gern drüber. RF. Yppenplatz. Wird es zum ersten Mal was?
Wir sind uns einig darüber, dass Klaus Veltman den falschen Beruf ergriffen hat. Unglaublich, wie man durch leere Vokabeln noch mehr Leere erzeugen und ein Fußballspiel so geistig unbeschenkt kommentieren kann.
Erste Müdigkeit um 12 und ein Paar mit Kind auf den beiden Sitzen hinter mir, das babymäßigere Geräusche macht als ihr Baby. Ich habe entschieden, mir doch kein Klimaticket zu holen. Zumindest nicht zum Schreiben. Die Unruhe um mich herum ist grauenvoll. Und das Schielen meines Nachbarn in den Text: tödlich.
Am Ende spreche ich mit dem Baby viel babyhafter als dessen Eltern.
Ich habe tierisch Lust auf beides, Mäckes und einen frischen Vogerlsalat.
Ich habe gestern nur Teig gegessen.
Irre, an diesem ersten Kapitel sitze ich seit 15 Monaten und immer noch korrigiere ich.
Im Grunde will ich weder Iggy noch Masha durchgehend schlechtgelaunt, depri, miesepetrig oder nörgelig haben. Bisschen kleinkariert schon, weils auch witzig ist, aber ich erzähle nicht von dieser Generation, die den ganzen Tag im Bett liegt.
Ich habe ein Gedicht geschrieben.
Müssen.
Müssen.
Müssen.
Müssen.
Müssen.
Müssen.
Müssen. Müssen. Müssen. Müssen
Müssen.
Trikola immer vermeiden.
Schreiben heißt löschen. Zumindest streichen. Die ganze Zeit.
Meinen Ordner 'Lebenslauf, Zeugnisse Praktika' habe ich im Papierkorb wiedergefunden. Das sollte ich mal mit meinem Therapeuten besprechen.
Neben mir läuft ein Tinderdate von zwei Mittvierzigern. Es ist das Trostloseste, was ich seit Langem gesehen habe.
Ich gehe jetzt kacken und danach schreibe ich den wichtigsten Roman der Gegenwartsliteratur.
Seitdem ich akzeptiert habe, Romanarbeit ist Schichtarbeit, geht vieles leichter. Eigentlich alles. Ich schreib dir zehn Romane im Jahr jetzt vallah.
Rausgefahren nach Favoriten zum Impfen. Nach den zwei Pieksern kann ich meinen Arm aus Placebogründen nicht mehr bewegen. Ich bereite mich auf die Starre vor und trage meinen Arm dermaßen steif vor mir her, dabei ist er voll funktionsfähig.
Wenn man die Edelhofgasse von oben runterkommt, sieht man schon den Kirchturm. Im Frühling hört man die Vögel, weit weg das leise Rauschen vom Gürtel. Zwei Spaziergängerinnen, die rechts in die Gentzgasse abbiegen. Es ist wie ein kleines Dorf mit den eigenen kleinen Regeln und dem endlosen Tratsch, da gibt es den Öfferl, den dm, den überteuerten Kutschkermarkt, wo nur Leute mit Schürzen ohne Flecken stehen, den Spar. Und wenn du links die Währinger runterfährst, über den Gürtel, dann bist du drei Minuten später schon in der Stadt, kannst ins Diglas oder in die Burg gehen. Die Bim rauscht alle 30 Sekunden am Schottentor vorbei, plötzlich hörst du ganz Wien. Aber dann, spät am Abend, wieder zurück in die Edelhofgasse, links an der Apotheke vorbei, es ist wieder alles leise und jede Tür, die zugeht, quietscht ein bisschen. Leute lachen aus ihren offenen Fenstern. Die Häuser zum Gürtel sind älter und niedriger und so ist es bei uns den ganzen Tag hell. Ich habe nie schöner gewohnt.
Im November habe ich Jens Biskys Berlinbuch als Paperback gekauft. Ganz toll, sehr gefreut. Das Hardcover war nicht mehr aufzufinden, nur noch gebraucht und ich wollte es neu. Und als das Paperback ankam, war ich enttäuscht: Das Papier fühlte sich an wie Schmirgelpapier (die gleiche Billoquali wie Bret Easton Ellis' The Shards; Roman wahnsinnig groß, Papier scheiße). Ich habs ins Regal gestellt und fünf Monate auf das fette BERLIN gestarrt. Gestern wollte ich es lesen und habe bisschen geblättert, das Papier war so rau, dass ich es sofort weglegen musste. Lösung: Das Hardcover bestellen und hoffen, Papier ist besser. Wer also einen ungelesenen Jens Bisky als TB will, bei mir melden.
Grad gemerkt, ich bin gar nicht perfekt. Niedergeschlagen.
Was würde Roger tun?
Alles von Hermann Hesse aussortiert. Jetzt ist der ganze Staub mal weg. Wie ich als 17jähriger auf diese unheimlich schlecht zusammengeschusterte Misogynistenprosa reinfallen konnte – unfassbar.
Auf einer Bank an der Straßenecke Schopenhauerstraße/Canongasse sitzt eine grauhaarige Frau und isst mit Stäbchen genüsslich den Lachs direkt aus der Packung.
Klischee, Klischeebruch: wie damit umgehen? Und wie damit umgehen, wenn die Postbotin das Buch mit aller Gewalt in den Briefkasten stopft, obwohl es offensichtlich ist, dass die Luftpölsterchen dermaßen unresilient sind? Wie damit umgehen, wenn man neu in einer Stadt ist und zwei Tage hintereinander in die gleiche Kantine geht und sich einfach wohlfühlt in den Münchner Kammerspielen? Wir sinds wieder, ja danke. Wie damit umgehen, wenn der Kaffee kalt ist? Wie damit umgehen, wenn man Zähne putzen muss, aber grad einen Satz schreibt? Und was ist mit Orangensaft? Fragen über Fragen.
Gucke raus auf die Augustenstraße und frage mich, ob ich mich verrenne. Die Sonne scheint. Drinnen ist Teppich. Schreibe ich das auf, was ich erzählen will, oder das, was mir spontan einfällt und das fräse ich irgendwie ran an die Geschichte? Lukas Bärfuss sagt das so toll, dass er nie Schriftsteller werden wollte, aber irgendwann einer war und sterbensunglücklich, weil alles anders war, als er es sich vorgestellt hatte. Und so schrieb er auch seine erste Erzählung: Am Ende war etwas da, was die Erzählung zwar war, aber die hatte er nie schreiben wollen. Das ist so simpel und plump, aber dieses Wissen macht mich jedes Mal fertig.
Statt Jargon schreibe ich Jargong. Irgendwas ist falsch.
Fahrt nach Hamburg. Sagt alles ab, verschiebt Kochabende, und fahrt nach Hamburg. Sagt nein zum Verlängerten, spart auf ein Ticket, streicht notfalls Zäune, arbeitet in Schulmensen, zerschlagt die Sparschweinchen, geht Nacktputzen, verschiebt Dates, verschiebt das Tindern, kein Sex kann so gut sein, kann mir kein Mensch erzählen, verschiebt Beziehungen, trennt euch notfalls, verschiebt Reisen, ja unbedingt als allererstes: verschiebt die ganzen Scheiß Pauschalreisen oder Campingtouren und Selbstfindungsreisen in die Uckermark, sagt sie einfach ab und verzichtet doch bitte einfach alle EINMAL auf diese Schwachkopferfindung BOULDERN, fahrt einen Tag früher los, um einen Tag vorher in Hamburg anzukommen, damit ihr nicht sagen könnt, ja aber die Deutsche Bahn hatte Verspätung, scheißt doch jetzt alle mal auf die Oberleitungen und pilgert los, keine Ausreden, schmiert Brote, kocht Eintöpfe und tuppert sie ein, und wenn euch jemand vorschlägt, ein Jahr keinen Sex, stattdessen hast du ein Ticket in der ersten Reihe oder kein Ticket in der ersten Reihe (meinetwegen in der dritten) und dafür ein Jahr lang Sex, nehmt beruhigt ersteres, gibts auch keine Verhütungskosten, keine Blasenentzündung, nichts. Fahrt nach Hamburg. Fahrt ans Schauspielhaus und guckt euch Richard the Kid an. Ich weiß nicht, ob es größer geht.
Jedes Mal, wenn ich viel einkaufe, sag ich mir, nächstes Mal weniger. Hat noch nie geklappt.
Das eigentliche Schreiben ist das Mailsschreiben.
Ich nehme mir jetzt fest vor, ich werde nie wieder etwas verpassen.
So viele überflüssige Sätze. So Erklärsätze, als wäre das Publikum dumm, als müsste ich die Erklärung erklären. Frau im Zimmer, wird interviewt, ihr Mann macht laut Musik an und stört das Interview – Sohn geht mit Hund spazieren – Sohn kommt wieder und der Papa liegt tot im Schnee. MONTAGE. Kann ich das etwa nicht?
ANATOMIE EINES FALLS liefert keine Serviceleistungen ans Publikum, deshalb ist der Film so groß.
Mehr so schreiben, wie Hazmat Modine klingt. LEICHT LEICHT LEICHT LEICHT.
Das Schlimmste am Schreiben ist das andauernde Sitzen. Das geht mir so aufn Sack. Ich drücke schon die ganze Zeit mit meinem Knie gegen das Tischbein und hoffe, es merkt niemand. Perfekt wäre, ich könnte währenddessen 100m Sprints machen.
Die witzigsten Texte kommen ausnahmslos von Frauen: Sargnagel, Kricheldorf, Zink. Ich schmeiße mich jedes Mal weg.
Es geht nur langsam. Aber ich mache alles schnell.
Die alte Frau neben mir sagt, ich bin so pleite und stopft sich ihren Birnen-Streusel-Kuchen rein. Der Kellner kommt und fragt, zusammen zahlen? Sie sagt, alles zusammen.
Warum will ich eigentlich immer schnell mit einem Buch fertigwerden? Auch wenn ich es mag, gucke ich ganz oft, wieviel hab ich noch? Einfach um das nächste zu lesen. Ist ja totaler Scheiß, lieber ist mir, ich brauche für ein sehr gutes Buch sechs Monate als sechs Stunden. Meine Spleens sind einfach zu mächtig.
Gestern lief jemand in kurzer Hose die Reeperbahn runter. Moin.
Ist das psychologisch eigentlich untersucht worden, ab welchem Alter das Gefühl aufhört, dass man nicht alles haben kann? Ich meine da jetzt nicht den Legoweihnachtsmann oder eine Suppenschüssel von Villeroy & Boch, sondern so ganz einfache Dinge wie, dass alles okay ist. Wann lernt man das? Ich fühle mich oft wie ein 10jähriger, der einem Haufen Nimm 2 Soft nicht widerstehen kann und danach aber auch nicht kotzen will, aber beides passiert. Und im nächsten Moment fühle ich mich wie ein 63jähriger, der vor dem gleichen Haufen steht. Und auch wieder kotzen muss. Und danach erklärt der 63jährige das Problem bei seinem Stammtisch in Währing und wirkt sehr intelligent, aber als 97jähriger macht er das nochmal. Und die Sätze werden intelligenter. Und die Wörter seltener. Und die Verbindungen größer. Und statt dem Haufen Nimm 2 Soft sind danach immer nur noch kleine bunte Papierchen übrig.
Das Wort PERSON klingt immer grenzwertig. Wie ein Brettspiel, auf das niemand Lust hat.
Das Licht vom grünen VW-Transporter ist so schwach, dass ich beinahe die ganze Zeit auf der A23 mit Fernlicht fahren muss. Der Regen sammelt sich in den Rinnen und knallt gegen die Reifen. Ich würde gerne jeder, die mir entgegenkommt, sagen, tschuldige tschuldige, aber das Abblendlicht eines Daimlers, der nach 2017 gebaut wurde, ist so stark wie das Flutlicht in der Allianz Arena. Mein Fernlicht ist dagegen eine Funzel, die maximal ein kleines Eckfahnenquadrat bestrahlen kann.
Dafür ist mir meine Zeit zu schade.
Das konsequenteste Frühjahrspogramm hat Wallstein. Wie unfassbar geil sind diese Titel:
Die Rotary Clubs im Nationalsozialismus. Die ausgeschlossenen und diskriminierten Mitglieder.
Oder was für ein Hammeruntertitel:
Viel Lärm um nichts. Eine Wahrnehmungsgeschichte des Nichtstuns in der Bundesrepublik.
Nochmal: Eine Wahrnehmungsgeschichte des Nichtstuns? Das ist so unfassbar toll, ich begreife das nicht. Wie kommt Yvonne Robel auf diesen Titel? Erscheint am 29. Mai 2024. Nur wegen des Untertitels muss man das kaufen. Und das Rotarybuch hat die Gattungsbezeichnung Ein Gedenkbuch. Rotary und Gedenken UND Nationalsozialismus. Wahnsinn. Ich komm nicht klar und flippe hier im ICE 587 total aus.
Noch einer: Thaisar Cäsar: Ungesehen. Weibliche Migration nach Wolfsburg. 1960-1990.
Aber nach Wolfsburg? Das ist so viel kreativer und unterhaltsamer als so ein bescheuerter Allzweckreinigungstitel wie KAMPF UND ZEIT.
Es geht weiter: Nicole Stadelmann: Mobile Ökonomien [noch allgemein, aber jetzt:]. Das Wirtschaften und Haushalten St. Galler Handwerkerfamilien in der Frühen Neuzeit.
Nur in St. Gallen. Das muss man sich mal vorstellen. St. Gallen und Wolfsburg. Wie geil da die Recherche ist.
Es hört nicht auf: Barbara Klössel-Luckhardt: Die Siegel des Urkundenfonds Reichsstift Gandersheim.
Bad Gandersheim liegt, für alle Interessierte, in Niedersachsen und hat 10.572 Einwohnerinnen am 31. Dezember 2008 gehabt (Quelle: Wikipedia). Was an Sylvester passiert ist und bis heute, you never know.
Es hört nicht auf: Von Katzenklappe bis Pilzdruck. 40 Kleinigkeiten zwischen den Arten.
Auf Katzenklappe und Pilzdruck wäre ich in meinem Leben nicht gekommen.
Grüße gehen raus.
Weiterhin im ICE 588 und wir haben über 200 Minuten Verspätung. Es meldet sich der Lokführer, der nach einem kurzen Anruckeln von einem roten Licht wieder gezwungen wird stehenzubleiben. Er sagt: Ich bitte Sie jetzt nicht um Verständnis, weil das habe ich auch nicht.
Im ICE 588 wünscht eine Frau, die laut telefoniert und vergessen hat, dass die Tür zum Ruhebereich klemmt, einer anderen Frau einen schönen Nachmittag in der Badewanne. Sheesh, was los, wir wollen hier auch alle in die Badewanne!
Ich liebe Zugfahren so sehr. Wie ein glücklicher Erstklässler bin ich heute Morgen in den Zug gehüpft. Juhu!
Noch nie so frei gefühlt beim schreiben, und noch nie so eingeengt von den Möglichkeiten.
Lache ich normalerweise, wenn ich witzige Stellen schreibe, oder immer erst bei den Korrekturen?
Was mich am Text nervt, die Erinnerungen sind mir oft zu schwer. Ich gehe jetzt an den Anfang des Romans, glaube ich, und schreibe das Kennenlernen und die vielen Spiele. Schwer schwer schwer, passiert das aus Ahnungslosigkeit? Im Zweifel immer für den Lacher entscheiden, den dann ja aber auch wieder sofort brechen und so, ich kenn das, aber ich kriegs nicht hin. Vielleicht hab ichs heute Abend hingekriegt haben werden.
In Mexiko waren die Frühjahrsprogramme lame, jetzt hab ich doch anderthalb Seiten rausgeschrieben (36 Titel) und ich freue mich drauf. Der März ist voll. Ich kaufe davon aber meistens nur ein Viertel, alles andere ist utopisch, rein platztechnisch. Und glücklicherweise schwuppen immer ein paar Hardcover durch.
Als wir durch Coyoacán gelaufen sind, wurden wir angehupt. Und die Straßen waren lang. Der Fußballplatz war immer voll und die eine Kellnerin meinte, sie hätte statt 15% Trinkgeld 150 eingetragen. Als der Tisch leer war, guckte sie raus und die Leute winkten ihr ganz freundlich.
In Campeche hat ein Polizist vor lauter Lust, der Falschparkerin das Leben zu verkomplizieren, ihr Kennzeichen abgeschraubt und heimlich in seinem Renault Tweezy versteckt.
Ich würde gern wissen, woher meine Abneigung gegen das positive Feedback und gegen Rosinen kommt. Die Wahrheit ist doch den Menschen zumutbar, oder hab ich was Falsches verstanden?
Noch nie so viel gelesen wie dieses Jahr. Vor meinem rechten Fenster staple ich hochkant.
Wieso sollte der Zug, der in Stuttgart eigentlich hält, auch in Stuttgart halten? Kann im ICE perfekt arbeiten, neben mir ist mein übergroßer Rucksack und pennt, keine Stalkerei, niemand telefoniert. Eine Frau hat über zwei Sitze die Zeitung ausgebreitet und ihr Kaffee dampft, die Sonne schickt Quadrate in den Boden. Nach Augsburg: erstaunlich viele Brücken.
Jonathan Franzen, Joseph Conrad, Herman Melville, zwei mal Bolaño, Eisbahn und Science-Fiction. Schmyt: Ich lasse los.
In der Nacht vom 24. auf den 25. September 2023 wurde ich beim Einschlafen von einer Mücke gestört, die immer dann auf mich zu surrte, wenn ich kurz davor war einzupennen. Ergebnis: Ich schlug um mich, traf aber zu keinem Zeitpunkt die Mücke, am nächsten Morgen: blaue Flecke. Der Eindringling muss noch in meinem Zimmer sein und plant einen neuen Angriff in der Nacht auf den 26. September 2023. Etwaige Maßnahmen zur Elimination des Viehs sind hiermit gestattet. Waffen bis zur Panzerfaust 60 mit einer durchschnittlichen Größe des Gefechtskopfes von 149mm sind erlaubt. Bitte darauf achten, dass Straßenschuhe in meinem Zimmer strengstens verboten sind.
Für alle im ICE 23 nach Wien. Ansage der Chefin: Das Bordbistro befindet sich in Wagen 26 und hat zu.
Wenn jemand meine Arbeit scheiße findet, dann denk ich automatisch, ist ja spitze, jetzt können wir zusammen arbeiten. Wenn sie sagen, find ich gut oder ist gelungen oder super, ich hab sofort 50 Gegenargumente. Weiß nicht, was das ist. Mich nervt ja auch das Honorieren von Mühegeben, der hat sich aber Mühe gegeben, das ist immer ein schlechtes Zeichen.
Was du streichst, vermisst du in der Regel nicht. Wie mit den auszusortierenden Büchern: wenn du einmal denkst, die müssen weg, ist es nur noch eine Frage der Zeit.
Ich hasse Inspiration und ich hasse Kunst, und Kunstkunst ist die größte Arschkrampe auf dem Planeten.
Googelt man in Wien Kassenhautärztin, kommen ausschließlich Hautärzte mit dem Zusatz KEINE KASSEN. Über Hilfe bin ich dankbar.
Regen.
Ich arbeite am Tübingenstück und komme erstaunlich gut voran.
Mein Schreibtisch ist voll. Zitronenmuffins und zwei Ausgaben von der Theater heute. Ganz nett eigentlich. Zuerst haben die mir eine Ausgabe zu Wirtschafts- und Sozialrecht aus dem Jahr 2018 geschickt. Mit freien Stellenangeboten. Ich habe kurz gezögert.
Das, was ich gerade schreibe, find ich nicht witzig. Und ich weiß nicht, ob das ein Problem ist.
Milan Kundera ist tot. Seit gestern jetzt schon.
Auf der Währinger Straße wechselt ein Mann mit Zigarillo im Mundwinkel die XXL-Medikamentenverpackungen eines Apothekenschaufensters. Er sieht sehr vertraulich aus. Schön, dass sich niemand daran stört.
Es sind exakt solche Übergänge, an denen ich immer wieder scheitere. „Beim Diner wurde kein Wort gesprochen, Monsieur de Rênal befahl Julien, die Kinder nach Vergy zu begleiten, die Fahrt war trübselig.“ (S. 204) Essen – Wegfahren – Stimmung auf der Fahrt. Das Tempo traue ich mich ja gar nicht! Ich denke immer, ich muss die Leserinnen BEGLEITEN, noch einen Zwischenschritt einbauen und von einem beschissenen Baum erzählen.
Heute nehme ich mir fest vor, nicht nachzudenken. Vielleicht setze ich mich in Schatten.
In Stockholm sind 22 Grad.
Grad gesehen: Spielende Kinder.
Letzte Woche im ICE 91 bekam ich Irinas Satz nicht aus dem Kopf, warum mussten wir so unbedingt erwachsen werden? Ich weiß noch, wie ich nach dem WM-Finale 2002 mit Mago in der Tietzestraße raus in den Garten gerannt bin. Der Fernseher war da ein kleiner, silberner Kasten, etwas größer als ein Blattpapier, mit einer dicken, gewölbten Glasscheibe. Der Kasten hatte Knöpfe, deren Federung man bei jedem Drücken gehört hat. Es hat so stark geregnet, dass ich als Torwart immer wieder eingesunken bin. Wir wollten das Finale nachspielen, Olli Kahn stand im Tor. Logisch war ich dann Olli Kahn. Die Gerüche von damals. Die Freude in dem unendlichen Regen. Wenn sich Autos vorbeitrauten, dann schossen sie uns die Pfützen entgegen. Ich wollte schon immer dahin, wo es regnet. Der dunkelgraue Himmel über der Elbe. Die starken Wellen, die an den Bullen klatschen. In mehrere Decken gewickelt ein Containerschiff nach dem anderen verabschieden in die große Welt. Der Bruch nach einer Hitzeperiode und dann die rennenden Menschen, die ihre Tüten retten wollen und automatisch mit Buckel rennen. Einmal, nach einem Budni-Einkauf, riss unsere Papiertüte, und das Shampoo und die Elmex-Zahnpasta sprudelten über den reissenden Regenbach und noch weiter, weil der Gulli verstopft war, ich war 8 Jahre alt. Das erste Mal Arche Noah gucken, auch mit 8 wahrscheinlich, und wie da alle Tiere in den Innenraum des Schiffes verfrachtet werden während der Himmel sich zuzieht und das Gewitter immer näherkommt. Dann: Katastrophe. Aber dieser kleine Moment davor, in Sicherheit sein und draußen stürzt alles runter, wie dick die Luft ist, ich weiß nicht, ob es was Schöneres gibt, und wenn man mich fragt, was ich immer wieder machen will, dann raus in den Regen, ob von drinnen gucken oder auch wie ein einziger Buckel durch die leergeströmten Straßen rennen. Wie wir uns zwei Kugeln Eis holen und auf der ausgestellten Brüstung von Girone stehen und sich das Eis in dem Regen so schnell auflöst, dass wir mit dem Schlecken nicht hinterherkommen und dann das Eis weit runter nach Fossalto werfen. Wo der Wald neben der Grundschule ist.
J. hat den Roman, 300.000 Zeichen, die Hälfte fliegt noch raus, das ganze Drumherumgeschreibe muss sie mir wirklich rauskillen. In meiner Mail bitte ich sie freundlich, hart zu mir zu sein. Schaffe es gerade nicht, einen Roman durchzulesen, DICHT war der letzte und der war toll.
Kristina schickt mir Fotos vom Dorotheenstädtischen Friedhof. Anna Seghers, Minetti, Herrndorf, Birol Ünel. Kurz bin ich traurig, dann geht es wieder.
Die HNO-Ärztin spricht von sich als Facharzt, ist ungesund sonnengebräunt, hat gemachte Brüste, trägt ein türkises Kleid mit Schärpe, untersucht mich unter 20 Sekunden und weiß, was ich habe. Aus der Ordination gehe ich mit einem lauten CIAO. Die Praxis wirkte wie das Fotostudio vom Otto-Versand, bloß 1963. Danke, Medizin.
Ich bekomme sehr gerne Mails.
Es ist schlichtweg lächerlich, wenn man die Aussage verweigert, worum es im eigenen Roman geht. So nach dem Motto, Inhalt ist doch scheiß egal. Kommt man nicht drumrum, ist auch gut, weil mit einem TOLLEN WORT hat sich auch noch niemand identifiziert. Mir ist der Satz, SIE KÖNNEN GUT GESCHICHTEN ERZÄHLEN lieber, als IHR BUCH IST ECHT INTERESSANT.
Der Regen schlägt von oben. Bei solchen Sätzen muss man aufpassen. Erstmal, der Regen kann nur nach unten fallen, wo soll er sonst hingehen? Und das Wort SCHLAGEN macht aus dem einfachen Vorgang des REGNENS ein Bild, der Satz wird zu einem Bild, weil Metapher. Der bessere Text ist aber ein einfacher Satz und kein Bild, keine Metapher, also das, was Esther Kinsky macht, nicht machen. Besser is.
Manche Notizen schreibe ich so schnell auf, dass ich sie irgendwann lese und nicht verstehe. Exemplar 1: Eine Vorstellungsrunde von Masha. Was soll das sein, eine Vorstellungsrunde? Wer ist Masha? Was ich studiert habe, ist ja jetzt klar, wir können den Smalltalk also überspringen.
Netflix-Produktion über Joan Didion gefunden, was mich unglaublich freut. Aber noch nicht gesehen, weil als erstes Mittwoch und Tag und Fenster auf und dieser Geruch da draußen.
Nach Jahren wieder Colter Wall, den ich zum ersten Mal in dem so tollen, so guten Billboard-Film mit Frances McDormand gehört habe. Wie die Dialoge da gesetzt sind. Die Bilder. Diese eine Landstraße, die welligen Fliegennetze hinter den halb auseinanderbrechenden Türen, groß der Monolog von McDormand, den sie dem Pfarrer ins Gesicht brüllt, überhaupt SIE in dem ganzen Film.
Erster Tag mit kurzer Hose. Kein gutes Zeichen. Hitze Hitze Hitze. Alle freuen sich ja immer darüber. Aber HITZE, das ist doch eine so dermaßen übergriffige Erfindung?!
Der frischeste Gedanke seit Langem, dass ich mal eine Zeit kein Buch lesen sollte.
Peter Simonischek ist tot.
Ich hasse den FC Bayern so sehr. Mein gestern gegen den FC Bayern angezogenes BVB-Trikot war trotzdem schön. Hellgelb und schön und ich war im Burgtheater damit. Stolz zog ich meine Jacke aus. Mein Neffe hat in seinem Leben bisher keinen anderen Deutschen Meister gesehen. Das Gefühl der Merkelkinder vor Olaf Scholz.
Ich weiß nicht, ob John Irving schreiben kann. Und ich wäre dankbar, wenn mir das jemand sagen könnte.
Sonst überprüfe ich gerade einige Vorurteile, Schätzing ist da ein gutes Beispiel. Absolut unfähig, Dialoge zu schreiben, Figuren zu verlebendigen, bei ihm ist es halt immer das NAHELIEGENDSTE, das da ist, Klischee Klischee Klischee, wahrscheinlich als System einer möglichst dünnen Haut vor der Geschichte (DER SCHWARM), weil die bastelt er gut. Collage, Erzählsprünge, Spannungsbögen, wieder Bruch, handwerklich einfach, aber in den Szenen dann da drin, wo der Ökothriller Fahrt aufnimmt, wieder gut. Wären da nicht die Figuren. Ohne Figuren, ohne Dialoge, ohne Sternschnuppenkitsch sogar fast lesbar. Lustig, das Troisgros.
Die ersten Tage an der Donau. Das Wasser ist arschkalt und der Boden schleimig. Wo ist hier ein Schattenplatz? Ich habe Lust auf Milchschnitten, also hole ich mir welche, die Creme ist angenehm weich. Das alles ist kopflos und ohne hypochondrische Krise. Viel Arbeit. Masha, Iggy, das Tübingenstück.
Fan vom LEHRERZIMMER. Wie gut dieser Film ist. Da werden diese schrecklichen Tatortnebenstränge weggelassen. Wir wollen nicht wissen, ob Frau Nowak Fluch der Karibik mag oder Primitivo trinkt. Nein, alles scharf zugeschnitten auf die Handlung. Das ist ja dann auch immer so eine Sache mit dem Roman. Zeige ich so ein logisches AUFWACHSEN der Figuren? Am liebsten kommt man in den Text und merkt, oh, hier läuft schon was, sehr gut, wo halte ich mich fest? Deshalb ist das erste Wort ja auch GUT. Sofort einsteigen, mitgehen, weiter, sehr gut.
Die schlechten Dialoge sind die, die die Leserin über die Handlung informieren oder über Figurenhintergründe, Erklärungsblabla. Beispiel: Zwei Wissenschaftlerinnen unterhalten sich über die Schuppenflechte bei Orcas. Da sagt die eine, wie ist das für die Orcas, so ne Schuppenflechte? – – – Fehler, wir Leserinnen wissen ja, dass beide Ahnung von der Orca-Schuppenflechte haben, die Frage richtet Figur 1 also nicht an ihr Gegenüber. Schonmal schlecht. Figur 1 interessiert sich damit gar nicht für Figur 2. Inhaltlich gibts das oft (ist ja auch amüsant, Desinteresse), textbausteinlich geht das in dem Fall aber nicht, weil die Leserin sich ja dann auch nicht für die Figur interessiert. Sie stellt diese Frage also nur, DAMIT DAS PUBLIKUM ES CHECKT. Und genau das ist falsches Schreiben. Unterhaltet euch doch lieber über den FC Bayern, eingelegte Marillen, Legolas oder Los Angeles. Was weiß ich. Aber nichts, dass auch noch erklärt werden muss. Orca-Schuppenflechte, was das eigentlich genau?
So! Mal hingeschrieben. Ich muss planen planen planen, sonst wird nichts. Wenn ich keine Ordnung habe. Zweimal mit dem Fahrrad im Regen und beide Male sage ich, das ist das letzte Mal, dass ich aufs Fahrrad im Regen steige. Ich suche auf der Straße dann auch immer die weniger bepfützten Stellen und lenke so, dass die Sprühspuren eher das sehr gut zu verfehlende Metallgestänge treffen. Die Schuhe brauchen zwei Tage bis sie wieder trocken sind. Wahnsinn, mich frustriert es, wenn ich Romane nicht in einem durch lese. IN EINEM ANDEREN LAND kriegt die Beziehung zum Beispiel kaum hin, das ist alles viel zu AUSGESAGT als erzählt.
Ich komme nach Hause und wundere mich, dass ich keine Bücher bestellt habe. Aber es ist wirklich so, seit Monaten nichts bestellt. Wie dumm von mir.
Die ersten freien zwei Stunden und ich bin im Garten der Psychiatrie. Vögel und schnell vorbeirauschende Autos. Ganz weit weg ein Krankenwagen. Es ist warm und ich frage mich, ob der Wind die Pusteblume noch kaputtmacht. Ich will sagen, ich bin nicht verrückt. Hier Laptop, da Gänseblümchen, da Motorrad und nur rundheraus freundliche Menschen in der Psychiatrie, die auch mit dem Lächeln gar nicht mehr aufhören. Meine Tastatur wird sehr heiß. Ich frage mich, wie lange ich das noch aushalten kann. In der Bibliothek flüstert die Frau, Sie können da schon rein, aber alle Plätze sind belegt. Jetzt also Bank, T-Shirt, Mai, Gestrüpp, Masha, Iggy.
Neues Wort gelernt, Unterwegsbahnhöfe. Das sind Bahnhöfe, an denen die DB hält, die aber zu spät erreicht werden. Solche Worte machen aus mir einen noch größeren DB-Fan.
Die Schnittlauch-Butterbrezeln von Ströck können gar nichts. Zu viel Salz, zu viel Butter an den falschen Stellen. Es ist unfassbar deprimierend, wie man das Einfachste auf der Welt, BUTTERBREZELN, so sehr verkacken kann.
Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
Thomas Brasch
Ich bin gerade sehr komisch. Komisch im Sinne von seltsam.
Catania, 1973. Ich liege unter einer Bettdecke ohne Bezug, auf meiner Ausgabe von Der Klub, in dem wir alle spielen steht mein Espresso. Ich führe ein Formatierungskrieg mit Pages, die Zeilen und Seiten verrutschen, und wenn ich was dazuschreibe, dann klemmen die Buchstaben in- und aufeinander, ich schreibe praktisch hochkant. Am Ende ist es nur noch ein schwarzer Punkt. Kann alles heutzutage nicht mehr sein. Ich bin erbärmlich aufgeschmissen, wenn die Technik nicht das macht, was sie mir verspricht.
Ab einer halben gelungenen Seite am Tag bin ich zufrieden.
Um was zu löschen, muss erstmal was dastehen. Klingt schlau, ist aber eigentlich trivial.
An der Ampel zappelt ein Welpe im Kreis. Jetzt ist der rauskommende Kellner in der Tür interessant, dann die Kieselsteine, die Rille, dann das Gepinkelte an der Wand, dann die Leine. Ein bisschen so ist es mit RICHTIG FETT. Ständig wackle ich, für nichts kann ich mich entscheiden, jede neue Idee ist die bessere. Das geht stündlich so.
Meine Füße sind kalt. Ich habe Sorge, dass meine Füße denken, ich würde sie absichtlich in die Kälte halten und dann leiten sie, meine Füße, irgendwie alle Schnupfsignale weiter und morgen liege ich mit einer Erkältung flach. Dabei sind meine Füße im Warmen unter der Decke, aber sie bleiben stoisch kalt.
Der Gag ist, ich sortiere Bücher aus und habe danach nicht weniger.
Näher an die Figuren. Merken. Näher dran. Mit Zoom, mit Psycho, mit Psyche, scheißegal, am besten drinsitzen, richtig drin.
Bescheuerterweise sind es immer erst die naheliegenden Ideen, die fünffach kommen, aber dann funktioniert der Text nicht. Es folgen Monate Korrigiererei und Riesenkomplexe und am Ende bleibt das Naheliegende übrig, aber eben erst durch den Umweg. Ich weiß selbst nicht, was ich rede. Ciao.
Es gibt ein Buch, das heißt Einspruch!, das auf jeder Auslage liegt. Jedes Mal, wenn ich es sehe, lese ich EISPRUNG.
Erst Kapitel 3, und noch nichtmal Stil, sondern nur Logik. Das dauert alles.
Aussortiert: Storm (alte Lederbände, nie gelesen), Menasse (Eva, den andern hab ich gar nicht, der ja beim Öst. Buchpreis, weil die Roßbacher ihn bekommen hat, beleidigt auf der Toilette geraucht hat und rausgeworfen wurde), Strunk (nicht Handschuh, aber Jürgen), Grass, Helfer, Jelinek (überschätzt), Keller, Ginzburg, Haderlap, Lentz, Antelme, Tozzi, Pasolini, Freud, Han, Alice Miller, Bachmann, Erika Mann. Keinen Bezug, aufs Wesentliche konzentrieren, wieder Luft zuhause, alles gelbe Seiten, zusammengeklebt von dickem Staub. Außerdem: die Sonne scheint.
Viel lieber im ICE als im beschissenen Railjet. Die Luft ist schlecht, die Knie stoßen an andere Knie, an denen sie nicht sein wollen und auch einfach nicht sollen, Punkt, die Tische ragen viel zu sehr in die Brust und ich bin davon überzeugt, dass ich den Bremsabrieb rieche (ernsthaft jetzt).
Ich wünschte, ich könnte das, Nachtschichten. Aber spätestens ab 1 kriege ich keinen gescheiten Satz mehr hin. Gib mir Red Bull, gib mir Cola, ich bin dann zwar wach, aber ich kann nicht mehr arbeiten. 5 Liter Kaffee, vergiss es. Die eine Nacht in Südtirol im Herbst, scharfer Geruch von Tannen, da gings bis halb 5. Auch das einzige Mal.
Exposé, das zigste, noch keins hat geklappt, seit zehn Jahren nicht.
Ich nehme mir andauernd was vor, was ich nicht einhalte. Das scheint so ein Ding bei mir zu sein.
Was geschrieben haben. Figuren, 3D, Tiefe, Geschichte, Handlung Handlung Handlung, das muss alles viel schneller in die Handlung münden. Jede noch so geile Idee für den Text verändert die Grundstruktur und ich muss im Prinzip alles neu machen, nicht nur neu denken, sondern NEU MACHEN.
Hier grad ne Rede über Otl Aicher, die wirklich ohne Gags, ohne Pointen, ohne Geschichten läuft. Die Rede als reines Wissensvermittlungsblabla. Ciao.
Es ist zynisch. Grad fertig geworden mit dem tollen Film Im Westen nichts Neues, danach aus Reflex, weil geht nicht anders, auf ZEIT online und sofort die beiden ersten Überschriften: Münchner Munitionskonferenz und ein Pistorius-Zitat. Die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen.
Komme mit RICHTIG FETT weiter. Und was dann?
Welches Riesenarschloch fing eigentlich mit solchen Sätzen auf den eigentlich ja okayen Covern von okayen Büchern an: Eine erzählerische Meisterschaft, die ihresgleichen sucht. – Seit wann sucht wer seinesgleichen? Hier sonst viele unfreundlich und ne Butterbrezel mit Schnittlauch.
Alles zieht vorbei und der rosa Abend ist ungeheuer oben. Es ist alles richtig fett. Und wird fetter. Das glaub mir mal. Ich klaue ab jetzt nur noch, alles wegstibitzen und untern Pulli.
Also ich hab grad den Satz gehört: Der Landkreis Waldeck-Frankenberg in Nordhessen sei ja wie Hamburg, man würde nur 56 Minuten auf der Landstraße zum Schwalm-Eder-Kreis fahren und daher auch an die Eder, den Fluss, der im Rothaargebirge entspringt.
Ich weiß jetzt schon nicht mehr, worum es bei Didion geht, außer Drogen, kaputte Leute, Depressionen, weite Landschaften, Städte, immer wieder LA und tote und tötetende und fast tote Menschen (schlechte Aufzählung). Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, wie sie schreibt und welche Wörter sie wann setzt. Zum Beispiel in ihrem letzten Essay, der mit der Beste ist, schreibt sie: Von meinem Büro aus konnte ich über die Stadt sehen, bis zur Wetteranzeige auf dem Mutual-New-York-Gebäude, zu den Lichtern, die abwechselnd in den Schriftzügen TIME und LIFE über dem Rockefeller Plaza aufleuchteten; das bereitete mir ein ebenso ungekanntes Vergnügen, wie im hellvioletten Acht-Uhr-Licht eines Frühsommerabends zu Fuß nach Uptown zu gehen und mir alles anzusehen, Terrinen aus Lowestoft-Porzellan in den Schaufenstern der 57th Street, Menschen in Abendkleidung, die versuchten, ein Taxi anzuhalten, die Bäume, die gerade erst ihr grünes Laub entfalteten, die bernsteinfarbene Luft, all diese süßen Versprechen von Geld und Sommer. – Warum ist das eigentlich so groß? Erstmal ist es ihre Aufzählung, wie sie sich auf die einzelnen Beobachtungen einlässt, was sie auswählt, was sie nennt und welches Wort dann auch unterschiedlich große BEDEUTUNGSHINTERGRÜNDE – Bilder kann man auch sagen – öffnet. Das Lowestoft-Porzellan plus die Nennung der Straße, dann kommen etwas allgemeiner Menschen in Abendkleidung, die … ja, die machen was, und zwar Taxis anhalten – DAS Bild von New York. Mit den Bäumen verweist sie auf die Jahreszeit, bernsteinfarbene Luft ist ja eigentlich eine viel zu krasse Formulierung in dieser zurückgezogenen, zerbrechlichen Aufzählung. Am Anfang eines Romans darf dieses Wort nicht stehen, weil nichts bernsteinfarben ist, schlechtes Wort im Grunde auch, weil wir kennen Bernstein überhaupt nicht, nur eine vage Vorstellung aus der Kitschkultur. Aber die durchschimmernde Sonne, die Spiegelung des Lichts in den Hochhäusern, das Licht der Laternen: bernsteinfarben, ist gekauft, sehr geil (aber eben auch nur in der Beziehung zu den anderen Wörtern im Satz). Dann reicht es, nur GRÜNES LAUB zu schreiben, nicht HELLGRÜNES LAUB, sondern einfach grün, weil dieses Laub ist grün. Basta. Sehr gut. Ahja, bin in der Zeile verrutscht, macht nichts, zum Schluss GELD und SOMMER. Eigentlich schwache Wörter, weil zu oft, weil nicht im Detail ausgefächert, weil alles der verdammte Sommer sein kann. Aber am Ende einer derart detailversessenen Aufzählung sind es genau diese Wörter, die es braucht, um abzuschließen. Unheimlich klug. Weil das Bild davor macht so oder so schon große Assoziationen und danach: Weite. Ziemlich gut, bewundere ich alles, will alles von ihr lesen, mehr Didion! Immer immer mehr Didion.
Ich will jetzt auch nach Los Angeles. Am besten heute noch.
Statt Schmerz lese ich Scherz. Totalkorrektur. Wird das Hörbuch heute fertig?
In Geigers neues Buch reingelesen. Sätze: "Wenn man jung ist, ist alles einfach wie Messer und Gabel, wie das Gras auf der Wiese, wie die Taube auf dem Dach." – Als Kind – junger Mensch – fällt einem die Taube auf dem Dach auf? Wann war je irgendwas einfach? Im ersten Absatz verzettelt er sich mit dem Wort WAHNSINN, wahnsinnig komisch. Im zweiten Absatz wählt er folgende Metapher: Als finge ich Wasser in einem Sieb [auf]. Es ist nicht einfach die Masse, sondern die "schiere Masse". Und dann auch so medizinische Sätze: "Die Persönlichkeit kann nur für kurze Zeit unabhängig bleiben von dem, was sie tut." Wie kommt er darauf? Wann ist sie überhaupt unabhängig? Ich wollte es unbedingt lesen, aber jetzt enttäuscht es mich nur noch.
Ziel ist, so wenig Literatur wie möglich zu schreiben, alles mündlich halten (und auch hier diesen Fehler im Satz: ist echt, also: behalten).
Statt Breitenwirkung lese ich Breitenentwicklung. Mein iPhone kennt Selbstbefruchtung besser als Selbstbefriedigung.
Statt Verbreitung lese ich Verbindung.
Peter Süß, Norbert Hummelt, die beiden C.H.-Beck-Uwes – Uwe Wittstock und Uwe Neumahr – machen das, was Florian Illies seit Jahren macht und Volker Weidermann schon immer probiert: Literatur und Literaturgeschichte anekdotenreich, pointiert, unterhaltsam, in kurzen, antigermanistischen Sätzen erzählen. Maike Albath verzichtet darauf und zeigt das Literaturitalien eher romanhaft, auch in viel breiter angelegten Szenen. An Maar kommt niemand ran.
den anfang von slimanis dann schlaf auch du gelesen mit dem ersten satz: das baby ist tot. sie macht handwerklich so viele fehler, weil stereotype prosa und keine besonderen einfälle. wie sie den einsatz im einstiegskapitel beschreibt, schon den zweiten satz darfst du nicht so schreiben: 'wenige sekunden haben genügt'. die komplette erste seite wimmelt von fehlern: die mutter sei geschockt gewesen (na hoffentlich, oder?), die polizei habe fingerabdrücke genommen (wasn ding) und irgendwas vermessen (mit dem maßband?). beschreibung der mutter: 'als sie das zimmer betrat, in dem ihre kinder hingestreckt lagen [schon hingestreckt: das wort assoziiert falsches, schließt semantisch an eine kriminalistische wirkungstradition an, die verfehlt ist … hingestreckt … bitte], hat sie einen schrei ausgestoßen [das ist infantil, einen schrei stoßen elisabethanische hofdamen aus, wenn ein genau] aus tiefsten tiefen [der satz geht ja weiter; tiefste tiefen? was ist das? hä? ihr kind ist tot, woher soll der schrei denn sonst kommen?], das geheul einer wölfin'. so, der letzte satz ist natürlich der brecher. ein ausgestoßener schrei und das geheul einer wölfin sind zwei unvereinbare reaktionen, die slimani in EINEN satz steckt und damit EINE figur beschreibt. niemand weiß, wie eine wölfin heult. ein ausgestoßener schrei ist ja auch eher ein schockhüstchen oder so. die wölfin, also das bild, kennen wir vage aus filmen. das problem an der szene ist: slimani will, wahrscheinlich zurecht, weil ja ein baby tot ist, wirkung erzeugen. durch die abgelatschte metapher der heulenden wölfin schafft sie das bei einer gewissen leserinnenschaft sicher, das bild ist sofort da. ich frage mich, wie da aber die emotionale steigerung der figur funktioniert, vom ausgestoßenen schrei zum wölfingeheul. richtig, sie macht gar nichts durch, weil die nullfokalisierte erzählerin will – also eine erzählerin, die von ihren figuren alles weiß und auktorial ist –, dass die mutter das empfindet, sie lässt die mutter das aber nicht empfinden. ich hab den roman dann weggelegt. im ersten kapitel wimmelt das genauso weiter.
Ich verstehe nicht, haben die beim ZDF niemand Besseren für das Literarische Quartett. Der Soboczynski stolpert an jedem Satzende durch sein NICHT oder NICHT WAHR ins 19. Jahrhundert zurück und hat auch im Reden nichts Plauderndes, nichts, das irgendwie halb ist und UNFERTIG, alles erklärt er. Ich mag seine Artikel, aber da ist er kratzig. Juli Zeh, warum immer Juli Zeh? Und Menasse? Wieso sind die Leute nichtmal zwischen 20 und 35, junge, nicht literaturbetriebsjockelige Menschlein, sondern was Frisches mal im BE. Ja, und Thea Dorn spricht auch noch so wie in den Nullerjahren. Literatur ist das alles ja nicht mehr, ich weiß auch nicht, WAS sie ist, aber dieser LITERATURERNST und das akademisierte Lateingehacke, dafür ist Text nicht da. lesenswert um Kilometer besser, einfach weil Insa toll ist und weil Scheck auch gut ist, Mangold nörgelt oft seinen Literaturkonservatismus raus, aber das ist okay, trotzdem alles ruhiger und ausgefederter.
Völlig vergessen, hier was zu schreiben.
Wirklich ein hervorragendes Gespräch mit meinem Chef S. S ist ulkig. Wenn ich S sage, ich will mehr Kohle verdienen und ich will wissen, was ich hier in Zukunft so machen soll, sagt S, das muss ich noch mit dem Steuerberater klären. Das Ding ist, S ist ja der Geschäftsführer, der er aber nur sein will, wenn er keine Verantwortung hat und mit seinen Fingerchen bissi rumtüdelüt. Und der Steuerberater, der bezahlt mich ja nicht. Naja jedenfalls sagt S netterweise, dass wir ja mal aufn Bier gehen können. Aufn Bier? Gemma aufn Bier? Ich will nicht aufn Bier gehen, ich muss ja meine Miete zahlen. Und beim Geld, da muss auch keine Freundschaft keine sein. Ich dacht mir, wenn ich den nicht anders krieg, machma mal n Termin und frag ihn dann auch keck, ob wir jetzt schnell noch einen Termin ausmachen wollen, quasi damit das dann auch funzt. Und er sagt da wirklich: Dafür brauchen wir keinen Termin. – Also in meiner Familie sind es eher die Männer, deren Taktik es ist, Dinge neben sich zu stellen – oder wie man ja auch gerne sagt: AUSZULAGERN. Nein, damit hab ich nix, neinnein, ich kann dafür nix, ich hab damit nein, das ist von der dahinten. Übrigens redet S mit seinem Steuerberater schon seit August. Das sind echt lange Gespräche mit dem Steuerberater. Ich sollte mich glücklich schätzen vielleicht auch. Und vielleicht kommt ja was bei rum. Man weiß es nicht. Bald bringt Suhrkamp die gesammelten Gespräche mit dem Steuerberater. Das wäre doch jetzt Kleinmachererei, Belittling, wie man ja auch korrekthochrichtig sagt.
Ich google FRAUEN und es kommt: Mann erschoss in Café in Rom drei Frauen – Bluttat in Café in Rom – Fünftes Wiener Frauenhaus eröffnet. Und wenn ich MÄNNER google, dann kommt: Biathlon-Weltcup in Hochfilzen, deutsche Männer-Staffel erkämpft sich Rang drei. Sonst noch: 700 Geschenkideen für Männer. Männer ist auch eine Komödie aus dem Jahr 1985 von Doris Dörrie. Die Welt schreibt: "Frauen neigen zum Nörgeln, Männer zum rationalen Diskutieren." Wo ist die Welt denn hin?
Zum ersten Mal unterstreiche ich einen Satz, den auch andere zitieren. Sitze an Musils Essays und Birgit Nübel zitiert das, was ich auch zitieren würde. Wirklicher Gamechanger, weil ich in der Schule immer das unterstrichen habe, was niemand unterstrichen hat; auch eben ein Problem, weil mir das Unwesentliche einer Aussage immer wesentlicher erschien als der Kern der Aussage. Bissi kompliziert gesagt, aber ok hoffentlich, wenn man die ganze Zeit Musilzeuch liest. Vor mir: gelbe Winterbäume und kalt kalt kalt. Alles sehr schön.
ich kriegs einfach nicht hin, übers schreiben zu sprechen oder übers schreiben zu schreiben. da lauern so viele kitschmienen. ja weil und ja danke und ja warum und das können ja und ich bin der und die und habe dann und darüber auch und – wirklich? – drunter auch da jetzt? super, wie schaffen das die anderen?
Lese ständig und überall DFB, dann rutschen die Infos für den ICE durch und ich lese immer noch überall DFB, kriege das F aus der Mitte nicht raus.
Mal ein Spaziergang und klarkommen.
Balzac, Perutz, Haas: Drei Autoren aus drei Jahrhunderten und Frauenfiguren als wär nix passiert. Unterkomplex, von Männern bespielt, durch den männlichen Blick und für ihn gemacht, sie handeln nicht (außer im Sexuellen), sie sind abfällig aufgeschrieben. Es wird keine Anstrengung unternommen, da mal etwas anderes abzuliefern.
Wieder bei Musil reingeluschert und das Wort GLÜCKLICH ist vielleicht unauffällig, aber ich glaub ja nicht: es ist da. Neben Blei. Er macht überproportional viel an Blei und Robert Müller fest, vielleicht eine Art Weiterentwicklung, ein Sieb, mit dem arbeitet, um dann das Rausgeklumpe poetologisch neu zu ordnen. Aber ich glaub, Musil selbst weiß nicht so ganz, wo er hinwill. Die Essays sind nachdenkendes Rumprobiere, raus da, bloß raus aus dem Kopf und probieren. Ein Spielplatz bei Musil, das ist toll.
Es schneit einen feinen Matsch.
Das ist schon irre, so eine Abwesenheit, sich eben nicht darum zu kümmern und sich völlig ins Koma reinzuvergessen, auch diesen Text hier. Manchmal gafft mich alles Ungelesene und Ungeschriebene so von oben und von überallher an. Gestern biege ich links ab und eine Autofahrerin gefällt das nicht, dass ich links abbiege und pöbelt rein in den Rückspiegel. Und wirft auch ihren Arm immer so in die Luft, macht Kurven mit ihrem Auto, damit ich sie ja nicht überhole. Ich mache derweil winkewinke und genieß die Ruhe auf dem Fahrrad. Bei der Ampel, die rot ist, bleibt sie abrupt stehen und verkürzt die Abstände rechts zum Gehweg und links zum anderen Auto. Dann fuchtelt sie weiter. Das ganze Fuchteln muss ihren Kalorienhaushalt gut regulieren. Ich fahre am Transporter vorbei und winke ihr gemütlich zu.
Letztens kam F zu mir und hat mich gefragt, ob alles gut ist mit S, nur weil Techtelmechtel und so am 23.10. auf der Plattform hier und dass das ja auch gelesen würde. Und da ich mit dem einen Beitrag da wirklich meinem S nicht doofkommen wollte, hat S die Chance jetzt hier was zu sagen. Und das ist von S.
"_Meahnwhile at schmus: _ Wir Menschen sind über relationale Affordanzen mit unser Umgebung verbunden, wir sind affiziert und interagieren innerhalb von bedeutungskonstru.. Ayo! Ayayay, Radio gibts ja auch noch! Platten alle zam? Ja alle parat, okok, nur noch Lieder wählen und notieren.. und nun mal schauen, was uns der Caspar wieder an literarischer Sauce serviert. Bin ja mal wieder sehr gespannt auf caspars eingelesenen Text. Bin einfach Fan. Und freu mich schon das Ding endlich auf ein passendes instrumental legen. Da lasse ich Caspar übrigens immer komplett frei, was er wie zu unserem Thema schreibt. Er fragt zwar immer wieder, ob er Feedback kriegen kann. Aber bin ja Fan seiner Art zu schreiben und das ganze theatralisch einzulesen, also was für Feedback? Ne man, mach einfach! Aber ab und an, ja da, ja da, fehlt mir einfach der Beipackzettel.. oft höre ich ja wirklich erst richtig zu, wenn wir live im Studio sitzen. Zu beschäftigt mit der instrumentalsauswahl. Naja, er wollte ja eh Feedback. Da kann ich doch zumindest inhaltlich mal nachfragen.. ja, wie es so zum Thema passt. Oder, nochmal hören? und meine strapazierten Zellen anfordern?, oder… oder, na! ich haue im meinen Fragen einfach mal aufs smarte Tonband und schaue mal was er sagt. äh also, ok, yoyoyoyoyo, Yo casper, casy cas, waddup? wie gehts dir mein lieber? Du.. wir heben ja wieder ab mit Medusa Airlines.. also.."
Er hat ja recht, der S (auch wenn nicht weiß, was Affordanzen sind), weil ich da wahrscheinlich auch einfach meine schreiberische Unzulänglichkeit vermeckert habe und nicht zugeben wollte, keine Ahnung vom Thema zu haben und eben das alte Schulproblem bei mir: das Wesentliche nicht vom Unwesentlichen unterscheiden zu können.
Von Ralf Rothmann kommt im Frühjahr der ambitionierte Plan, eine Theorie des Regens zu schreiben. Warum denn gleich Theorie? Ich liebe den Regen ziemlich dolle sehr, ich komm auch auf die Sommerverteidigerinnen nicht klar, die Mitte November mit kurzer Hose durch die Josefstadt laufen mit so einem Blick: hä, is doch daily business. Regen war schon immer toll. Wenn er sich im Sommer ankündigt und alles scharf riecht. Und wenn er tagelang aus Laub ganze Schichten macht. Und wenn er knallt. Wenn er nicht aufhören will und alles in Schräglage rutscht. Weiß nicht, hätte Rothmann sein Buch, das ich unbedingt lesen will – ja, ich gebs zu –, nicht auch Wie geil ist denn Regen, bitte? nennen können. Oder: Regen. Eine Aufmunterung.
Gehe das Suhrkampfrühjahrsprogramm durch und denk mir, ja also den Roman von Satoshi Yagisawa, den kann man also eigentlich mal was anderes, oder also man könnte da wirklich auch mal aus der Bubble quasi. Aber dann lese ich das Zitat: "Manchmal öffnet der Zufall Türen, von denen man nicht einmal weiß, dass sie existieren." Also klar, ja das gibt es. Aber die Metapher im Hauptsatz ist ja schon aua, das ist grausam, also: öffnet der Zufall Türen – puh – plus das sehr klotzige EINMAL. Dann auch das hinkende Manchmal am Satzanfang. Weiter: "Ich begann, die Bücher um mich herum förmlich zu verschlingen." Also förmlich sogar, ah ja, das ist ja interessant, also wenns förmlich ist, dann. Und das Verb VERSCHLINGEN, förmlich verschlingen, förmlich zu verschlingen. Wo kann mans kaufen jetzt sofort? Letzter Satz (das berühmte Trikolon): "Es war, als hätte die Leseratte in meinem Herzen nur darauf gewartet, endlich freigelassen zu werden." ES WAR ist im Prinzip der gleiche – DERSELBE – Brei wie das übergriffige Manchmal da oben am Satzanfang. ES WAR ALS ... also wenn so Sätze beginnen, na gut. Dann aber total geil der Konjunktiv (klar, der muss kommen), ALS HÄTTE, aber sofort wieder ein Ultrawahnsinn: die LESERATTE. Das ist wirklich Ottokatalog bis zum Schluss gedacht. Also ich bin ja die totale Leseratte, ich verschlinge ja Buch nach Buch in mein Herz, guter Punkt, denn weiter gehts mit: IN MEINEM HERZEN, klar, woraus sonst? NUR, dieses Adverb passt natürlich einsA oder 1A – wie ihr wollt – zum rewetextigen Manchmal und dann aber die Büchsederpandorametapher: FREIGELASSEN WERDEN. Wenn ich das richtig verstanden habe, meint der Moritz Baßler das mit populärem Realismus. Die Buzzwords sind ja alle drin: Leseratte, verschlingen, freilassen, Zufall als Türöffner und der Burner: Herz. Wenn man bei Suhrkamp in der Suchleiste eintippt: DER KLANG ... kommen: Der Klang der Sehnsucht, Der Klang der Familie, Der Klang der Erinnerung, Der Klang der Wälder und – und das ist natürlich super, weil Heinz Helle alles umdreht – Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin. Trotzdem ist das der Verlag, bei dem ich mir fürs Frühjahr richtig viel rausschreibe, das meiste mit Abstand. Toll ist mal wieder Angela Steidele, sie beschreibt das Zimmermannische Kaffeehaus so: "Die wenigsten Gäste hatten einen Platz gefunden (statt: Das Kaffeehaus ist gut besucht oder so), alles schob und stieß sich (gut gewählt, weil drängelnde Menschen schieben einfach, weil Ungeduld und Körper und einfach: Masse), lachte und schwatzte miteinander (was dem Drängeln und Stoßen ja entgegensteht, Stimmung ist da also top, schwatzig vor allem, lange nicht gehört und was für ein schönes Wort: schwatzen. Das Wort proppevoll ginge da leider nicht, weil: 18. Jahrhundert.)" Das beste ist, ich hätte eckige Klammern benutzen sollen, upspups. Steidele macht das, anders als Yagisawa, nicht als Trikolon: Das Kaffeehaus ist bei ihr eben nicht voll, drängelnd und laut, sondern schieben und stoßen, lachen und schwatzen. Das funktioniert rhythmisch schon viel besser. Zickzack. Insel-Bücherei neuer Band von Stefan Zweig: Die Kunst, ohne Sorgen zu leben. Zweig hat sich 1942 das Leben genommen. Weiß gar nicht, warum es das braucht, ohne Sorgen. Wie geht das denn, Stefan?
Bei der parfümierten JBA-Preisverleihung da gestern im Museumsquartier sagt der liebe Juror auf der Bühne: Ja, das ist ja erstaunlich, da bekommt der zweite Gold, mit dem ich Badminton spiele. Erstaunlicherweise haben viele nicht Gold bekommen, die auch kein Badminton spielen. Vielleicht ist Badminton das neue Goto, das könnt doch sein.
Das Problem ist der Mittelbau des Stückes. Hier wiederholt sich viel zu viel, das muss ich alles zusammenstreichen, das muss viel schneller in die Handlung gehen. Kein Mensch will nette Sätze oder tolle Formulierungen, alles raus, erzähl jetzt mal ne Geschichte von der Straßenverkehrsordnung und eben von DINGEN, von den dreien und wie sie sich da rumprügeln.
so einen zum beispiel
einfach mal einen einfachen satz, nur einen, ohne einen zusatz, ohne spielerei, einen einfachen, klaren
keine toten am ende, keine toten. keine katastrophe, kein unglück, kein zermatschter mensch. unser Alltag funktioniert auch überwiegend so: normal. da muss nicht am ende einer Geschichte irgendjemand sterben, damit die da genügend Dramatik im Drama ist und die Leute Oooh und Aaah sagen und Wow und so. Das will ich nicht.
Völliger Buchmarktüberfluss an Titeln, die den Begriff FREIHEIT mindestens einmal nennen. Gekränkte Freiheit (toll), Freiheit für alle (prechtlerianischer Schwurbelstuss), Freiheit beginnt am Ich (really dont know), Die Flamme der Freiheit, Die Freiheit, allein zu sein mit dem Bernharduntertitel EINE ERMUTIGUNG. Vielleicht hat ja die Freiheit die Meinungsfreiheit als sozioanalytischer Gamechanger abgelöst, weil man irgendwie gemerkt hat: ich kann ja trotzdem den größten Quatsch sagen, aber unsere Freiheit, die also wollen wir das kkkkönnen wir hier nicht ohne Weiteres also für unsere Freiheit, da müssen wir doch kämpfen. Mein seit gestern fies an die Kante meiner Oberlippe kneifendes Herpes fühlt sich jedenfalls sehr frei. Und ich muss dringend am Stück weiterarbeiten. Gehe das alles nochmal von Anfang an durch. Sprechen die Leute heute wirklich so unterschiedlich? Also in einer Bubble, mein ich jetzt? Wirklich kein Bock auf ne Theaterfläche oder essayistisches Figurensprech, aber bis auf dialektale oder – die Germanistinnen freuen sich – soziolingusitische Unterschiede gibts da doch eigentlich nix, was ich beachten müsste. Versprechen hört ja nicht bei der grammatikalischen Bildung auf, sondern fängt da vielleicht erst an.
Heute Morgen aufm Kutschkermarkt: Ein Mann bückt sich nach einem festgeklebten 2 Eurostückchen und geht dann stöhnend weiter. Das wäre ja voll mein Spiel, ist mir nämlich mal in Trivento passiert, da hab ich wirklich ne Viertelstunde an einem 50 Centstück rumgekratzt und rumgepult (bald wehre ich mich nicht mehr gegen die Autokorrektur, statt rumgekratzt kommt romgekratzt und statt rumgepult rumgequält, der Satz wäre ja so viel geiler geworden), und jedenfalls beim Rumkratzen an diesem 50 Centstück merke ich erst nach zehn Minuten, das eine Gruppe von colatrinkenden Kindern ihren Spaß an meiner Verzweiflung hat.
Ich will dringend das Stück weitermachen, aber ich kriegs nicht hin.
Sätze des Abends: Also der, ja der promoviert grad in Nietzsche. – Und: Was studiert ihr eigentlich? Ja! – und jetzt aber raus hier und hoffentlich nicht über die Schienen rutschen. Wieso hab ich seit Monaten keine Ahnung, was meine Hände machen, wenn ich mit Leuten rede? Die sind dann so da und machen so unkontrollierten Krams, machen winkewinke oder pulen so bissi an sich rum.
Grad beim Spar eine Mutter zu ihrem Kind: Joghurt mit Geschmack wird mit Sägespänen gemacht. Das Kind: Was ist das? Mutter: Das ist das, was übrigbleibt, wenn du Holz sägst. Kind: Und das ist im Joghurt drinnen? Mutter: Ja, das macht eben den Geschmack, die Sägespäne.
rutscht runter wie ein leporello, seit da ponte und mozart hat sich also nix geändert, instagram funktioniert auch so, selbst schülervz – für 90erinnen unter uns – war nach diesem scrollprinzip gebaut. nix mit umblättern und buch und so: 18 jhd bis zum ende gedacht.
Heute morgen an einem bei jeder Parklücke stehenbleibenden Caddy vorbeigefahren, ständig am blinken und ich immer so: fahr ich da jetzt vorbei, kann ich da jetzt eigentlich? und wieder: ruckartig gebremst, gewartet: der Caddy hat bis nach draußen nach Duftbaum gerochen. Meine Autokorrektur korrigiert mir Caddy weg und schlägt Candy vor. Soll ich stehenlassen?
Dass auch das wieder ein SOFORTTEXT ist, der ja gleich nach unten rutscht, heute Nachmittag vielleicht schon alles weg, weil ich fünfmal dachte, über Bulgur, Woolrich, das Industriegebiet Bottrop-Süd und Candys zu schreiben. Das ist ja auch das Tolle: weil er egaler wird. Eine Art Tiktoktext. Kann mir jemand diese beschissen Autokorrektur wegmachen? Das ist ja unerträglich.
Dass Felix und ich das jetzt das ist schon also wirklich ich mein: gut eben. Wir hams fast. Dieses Format jetzt: alles ganz ohne Schreibmaschine und völlig neu, ohne Trauben, ohne Bilder, ohne Fahnen, ohne Schriftstellerei. Das ist eben wahnsinnig wichtig: dass das nicht alles so ein überdimensional krass hoher und grammatikalisch auch ganz heidideidi richtig geschriebener Kaffeepausenliteraturtext ist (obwohl Kaffeepausenliteraturtext ja irgendwas was hat). Ist das eigentlich möglich? So einen Internetroman wirklich mal zu machen. So völlig ohne Personal, dann eben nur aus dem Text heraus ein Personal machen. Ich mags ja gar nicht, wenn die Briefwechsel einem als Romane verkauft werden, oder Blogs, da steht ja Briefwechsel, dann isses ein guess what: Briefwechsel. Wer will einen Romanblog? Denkt man sich doch: gut, ich geh lieber eine Cola trinken. Bräuchte da übrigens Hilfe: In Freiburg sagen die Leute der Cola zu das Cola. Gibts da ähnliche Erfahrungsberichte?
Danke übrigens an Felix an der Stelle, der hier wirklich seinen Cashmerepulli vollgeschwitzt hat, damit das hier in die Funzung kommt, damit das hier mal so halb les- und annehmbar ist und ja eben: toll und danke und er geht jetzt nach Hause und hat sturm und ich nicht. Ich werd jetzt saugen. Muss noch jemand saugen?
Wenn ich noch einmal lese, dieser Roman sei eine Wucht, ein Wurf, ein Ereignis, die Sprache sei sprachgewaltig (!!) oder dicht (aua) oder atemberaubend, Gott: ATEMBERAUBEND, wer kommt auf die Idee, irgendwas sei ATEMBERAUBEND, oder wenn ich lese, irgendwas hätte irgendwen an irgendwelchen Tagen INSPIRIERT oder das sei der Thomas Mann der Gegenwart, was ist denn das für eine Beäumelung? Thomas Mann der Gegenwart, dicker, dann hätten wir einen extrem päderastischen, rassistischen Schriftsteller, die es ja sonst überhaupt nicht gibt. Außerdem ist der Doktor Faustus so überproportional langweilig und gecopypastet und verwurschtelt und unplottbar. Buddenbrooks, Der Erwählte, Mario, Venedig, der Krull – das sind schon atemberaubend große Würfe. Kein Scherz jetzt mal. Bei den Buddenbrooks sind die Sätze auch noch kurz, stark Brudi.
Gestern Nacht hab ich ein Handy auf dem Kutschkermarkt gefunden. Heute Morgen klingelt es irre laut im Bad. Das Handy gehört Messud. Messud kommt aus dem Irak und Messud würde es gerne abholen, sagt die Caritas. Ja, gerne, kommt vorbei. Messud kommt vorbei, steht zwar in der richtigen Straße, aber an der falschen Tür. Messud muss sich Handys von Passantinnen ausleihen, um mich, also sich, anzurufen. Dann ist Messud bei mir und wir verstehen uns super, er hätte nachts das Handy immer unterm Ohr, gestern nicht, deshalb sei ihm aufgefallen, irgendwas stimmt nicht. Sage ihm, dass ich sein Handy auf dem Kutschkermarkt gefunden habe. Messud war noch nie auf dem Kutschkermarkt. Das wundert mich mehr als ihn, glücklich läuft er mit seinem Handy weg. Ich winke noch ein bisschen. Er dann auch.
Gestern auch geil im IC: neben mir ein Dude, der kein Scherz vier Stunden lang japanische Comicserien auf seinem iphone geguckt und zwischendurch seine Brustmuskeln hochgezuckt hat. Zackzackzackzack wieder war ein Rhythmus da, ganz unerwartet.
Zum Frühstück bei F gab es Nulacta von Norma, drei Eier, wir haben nur zwei gegessen, Weinkäse unter einem Hobel, leckeres Kümmelbrot aus Bamberg und viel Sprechen über Probleme und das ist gut eben. Sie hockt mühsam an ihrer Diss über Singlieder in der Frühen Neuzeit und beim Schlafengehen gestern war der Satz zentral: fick dich jetzt mal, Frühe Neuzeit und dann sind wir auch eingepennt.
Ich will ein Kapitel über Gattungsüberlegungen machen. Was schreibt Willemsen eigentlich? Essayistisches Memoir? Vielleicht hat er ja den Essaybegriff erweitert, nicht nur in der Form der Selbstreflexion, sondern vor allem in der Länge. Während es bei Musil Fetzen sind, sind es bei Willemsen zusammengesteckte Fetzen, die dann ein Ganzes ergeben (also ein Buch), ein sequenzielles Arbeiten am Erinnern: Momentum. Musils Vorhaben, gesammelte Essays rauszubringen, ist ja gescheitert. Literaturwissenschaftlerinnen würden da direkt ein proustianisch reinballern, aber mit Proust hat Willemsen nicht viel zutun. Nicht überall, wo das Wort ERINNERUNG fällt, ist Proust als Dosenwerfer da und ruft: ja hallo, i bims.
Grad das ziemlich sichere und auch unwiderlegbare Gefühl: das ist alles zu groß für mich.
Es ist ein bisschen schade: es gibt einfach kein Bild von Musil, auf dem er lacht oder glücklich ist oder den Glücklichen markieren will, irgendeine Regung in diesem blassen, geschliffenen Gesicht. Corino sagt im Vereinigungenkapitel nichts über die Entwicklung von Musils Poetologie, K kauft einen neuen Filter für die Dunstabzugashaube, was ich mehr als unglaublich finde. Mein größtes Problem ist: wie leiste ich mir einen North-Face-Rucksack und lese ich an Weihnachten George Eliot oder Gabriele Tergit oder Franz Blei? Gehe ich in meiner eigenen Wohnung umher und übersehe ich sowas struktur- und charakterbedingt? Ich will das können, sowas auch zu sehen, habe fett in meinem iPhone markiert: am 1. Jänner die Thermenwartung zu organisieren. Es geht nicht darum, den Putzdienst in der WG zu machen, sondern darum, nicht einteilbare und immer mal wieder, ganz launisch anfallende Dinge zu sehen: Fensterputzen, Klobrille wechseln, wenn die aufweicht von den jahrelangen Duschspritzern, mit der Mieterinnenvereinigung streiten und in zig Warteschlangen von Strom- und Gasanbieterinnen zu hängen, neue Glühbirnen kaufen, Leim für den Tisch im Wohnzimmer kaufen, einfach nur mal die Pflanzen gießen (auch wenns nicht meine sind), vielleicht Blumen für alle holen oder ein Wägelchen für die Handtücher bei willhaben checken usf. Als ich im Juni ein kleinesgroßes Krisengespräch mit C hatte, wurde mir ganz warm, weil sie mir gesagt hat, dass es ja schon immer so sei: Männer kümmern sich währenddessen um ihre Karriere (und es stimmt: habe meine Masterarbeit zu Ende gehackt, das neue Stück geschrieben und mich um meine Gedankenkreise gekümmert, da kann ich noch achtmal Strömquist lesen, wenn ich das einfach nicht sehe). Da wurde ich steif, ein kleiner Krampfi, weil ich das nicht sein wollte. Und dann: hab erstmal die Geschirrspülmaschine von unseren Nachbarinnen geholt und einen neuen Anschluss im Krimskramsladen gekauft und einen wackeligen, später mit Kleber an der Küchenzeile festgemachten überteuerten Tisch gebaut, damit der Spüler nicht einsam und tiefergelegt in der Ecke wackelt. Toll, kauf dir n Keks davon, es geht ja weiter. Und jetzt dann: Filter für die Dunstabzugshaube, während ich im Bett lag und genau ja eben mistekiste Corino gelesen habe.
Diese wahnsinnig geile Szene vom Tanzmarathon bei Babylon Berlin. Erst sehe ich das MEUTE-Zeichen und frag mich, ist das nicht das MEUTE-Zeichen? Und dann mal schnell gegoogelt: klar ist das das MEUTE-Zeichen! Alle Begriffe – der neue Mensch, Rausch etc. – kommen auch im Höhenrausch vor, den ich heute schon sehr begeistert in der Badewanne angefangen habe.
Wie die Suche nach einem runden Stein irgendwie nordöstlich von Perth: habe das Zitat gefunden, das ich seit zwei Jahren im Kopf habe: den inneren Menschen erfinden. Steht in Musils Ende 1918 erschienener Skizze der Erkenntnis des Dichters. Zuerst gehört (nicht gelesen) in Willemsens Rede auf dem Kommunikationskongress 2014, zwei Jahre vor seinem Tod, wo er im Prinzip sein kulturgeschichliches Programm eines mündigen Menschen entwirft. Ganz toller Text. Wurschtle an dem Begriff Literatur als Humanwissenschaft rum, der erstmal schön und plausibel und zielgerichtet und übergroß klingt, aber den ich erklären lernen will. Willemsens Analyseüberlegungen richten sich nach dem, was er selbst zu erfüllen vorhat, im eigenen Text. Das ist nicht ungewöhnlich, Musil macht es mit Franz Blei auch so (den W übrigens geschätzt hat). Er versteht unter der Literatur als Humanwissenschaft Folgendes: „Wo Musil der Literatur die Aufgabe zuerkennt, Richtwerte aufzustellen, Zielvorstellungen als mögliche Korrektive des Bestehenden aufzubauen, da definiert er die Dichtung implizit als eine Humanwissenschaft, die durch ihre analytische und utopische Mitteilung den blinden Gang des Fortschritts zu korrigieren versucht.“ Die Frage ist, ob die Afghanische Reise mit in das Literaturraster fällt oder ob sie journalistischer Bericht ist? Weil sie, neben Knacks, Momentum, Enden der Welt und definitiv auch Wer wir waren, eine ähnliche Deutungs- und Rezeptionsrichtung anzupeilen versucht. Bei W heißt ein Kapitel Die Schule der Exaktheit, in dem er auf Musils eigene Diss und Machschulungen eingeht, was insofern interessant ist, weil Ws Diss – die gesamte Beschäftigung mit Musil – die eigene Exaktheit geschult hat. Bauerfeind sagt er im Interview: Ich liebe es, Genauigkeit herzustellen. Dann gibt es die Nacht und das Gewitter in Bangkok: RÄUSPERN ist das genaue Wort. Und und und und. Und jetzt die Riesenfrage: Geht das alles mit Rosa? Wie spannend wäre das! Literaturresonanz oder eine Soziologie der Literaturbeziehungen. Wenn, dann muss ich das abschärfen, rausschälen gewissermaßen: Rezeption und Resonanz. Gibts da n Unterschied? Könnt ich jetzt adhoc, also so aus der Hüfte dingsidongsi raus nicht so eloquent erklären. Rezeption: lesen eines Buches. Resonanz: Folge des Lesens eines Buches. So in etwa? Scheißmethodik, das kommt aber bis Weihnachten in großen Mengen auf mich zu, bis zum 31. Jänner kann ich mich beim IFK bewerben. Freue mich mehr auf Rosa als auf Iser, Rosa will ich so oder so seit Jahren lesen, also mal ganz durch, mein ich, mal so richtige Rosatage jetzt, das wärs. Er hat mir noch nicht geantwortet, tüllich nicht, wieviel Mails bekommt der am Tag?
Übrigens wurde ich letztens in der U6 kontrolliert. Ich fahr ja nie Bahn, aber wenn ich Bahn fahre, dann hole ich mir wie der letzte brave Honk ein Ticket und ich verstehe immer noch nicht, warum die Bim 2,60 und die UBahn 2,40 kostet, scheiß die Hündin drauf. Jedenfalls musste ich von der Volksoper zur Alser Straße, nur zur Alser Straße, das sind zwei Stationen, und ich dachte mir, komm, heute biste frech, heute fährste Bahn mal schwarz. Also bin ich schwarzgefahren, in drei Jahren Wien das erste Mal. Nichts passiert. Alle schaukeln im feinen Takt der Eisenkurven und kleben auf ihren Smartphones. AKH-Michelbeuern, nichts passiert. Alser Straße, nichts passiert diesdas. Ich laufe raus, atme durch, laufe runter, plötzlich sehe ich eine Armee von Gelbwesten, die in zwei aus Muskeln und dönergeblähten Bäuchen bestehenden Halbkreisen die von der Treppe runterhechelnden Leute abfangen. Ich zögere, laufe dann entschieden selbstbewusst, weil ich mir denk: hab ja ne Ausrede, mit so einem schrägen Mundwinkel. Sorry aber, sage ich, hab meine Karte oben schon in die Tonne geworfen. Ich denk, ich hab gewonnen. Er: Kein Problem, haben Sie einen Ausweis? Ich, naiv wie ich bin, klaro, hier bitte. Er: So, jetzt laufen Sie hoch und suchen so lange nach Ihrer Karte bis Sie sie haben, ich hab Zeit (dieses: ich hab Zeit). Ich merke, doch alles umwerfen: Hömma, sag ich, ich hab n Termin, wirklich ganz schlecht, da wieder hoch zu gehen. Er: Kein Problem, wenn Sie jetzt zahlen, dann 105, wenn nicht, wirds teuer, sehr teuer, viel zu teuer für viele, dann zahlen Sie 115. Sorry, aber ich denke, das kostet n Fuffi max. Wieso denn so viel? Mach ich die Preise, sagt er mit einem rollenden R. Gut, ich gehe hoch, laufe hoch, bleibe stehen, drehe um. Komm, ich zahl den Scheiß, sag ich. Sehr nett von ihm: bekomme für die UBahn ein Bimticket von 2,60 dazu, also hab ich 102,40 gezahlt. In Constis Auto rege ich mich noch ein bisschen auf, wir gurken übern Gürtel und plötzlich stehen wir vor der Volksoper, wo ich eingestiegen bin. Er: ja, ich kann nicht früher drehen. Noch nie habe ich n Fuffi pro Haltestelle gezahlt, um dann in einem sanften Fahrstil zurückgetuckert zu werden.
Habe Schnupfen.
Nochmal M: Ich bin froh, dass ich dir irgendwie erklären konnte, was ich eben herausgefunden habe.
M. schreibt mir im Minutentakt folgende elf Nachrichten auf Signal. M. war gestern bei mir und wir haben Tartiflette gemacht, nur leider ohne Reblochon, den hatten die bei Spar nicht mehr. Also M. jetzt (ich will die Satzzeichen unbedingt so lassen).
…
Random fact: Wusstest du, dass der Großvater von Michael Maar, Oskar Ballhaus ist, Mitbegründer des fränkischen Theaters Schloss Maßbach und Vater von Thomas Ballhaus, dem Thomas Ballhaus, Bruder von Neele Maar [sic!], also Michael Maars Mutter, die heute das Theater in Maßbach leitet.
…?
Michael Maars Onkel ist Thomas Ballhaus.
Michael Maar ist Thomas Ballaus Neffe.
Thomas Ballhaus ist Michael Maars Onkel.
Eh.
Michael Ballhaus.
Thomas Ballhausen ist mein Kollege.
Ich meine Michael Ballhaus nicht Thomas Ballhausen aus Wien.
Michael Ballhaus ist Michael Maars Onkel. So.
Das stimmt auch nicht ganz, weil MB [Michael Ballhaus] schon verstorben ist wie wir alle wissen.
Um zu meiner Frage zurückzukommen: Wusstest Du das?
[Nach einer Weile M. weiter:]
Es ist kompliziert: Nicht Nele Maar leitet das Theater Schloß Maßbach heute, sondern ihre Tochter, Michael Maars Schwester: Anne Maar.
Jetzt, müssten alle Verbindungen stimmen. Thomas Ballhausen spielt hier keine Rolle mehr und stiftet nur Verwirrung.
…
Jetzt hat M. schon länger nichts mehr geschrieben. Aber von M. stammt der tolle Satz ausm Sommer, als wir aus einer schrecklichen Poe-Burgtheatervorstellung raus sind. Der Vorplatz war voll und parfümiert und er dreht sich um zu den Säulen und schreit: Wann schließt ihr endlich diesen Sauladen? Zwei Minuten später hab ich ihn gefragt, was er denn gerade liest. M.: Ich hab beschlossen, ich kauf keine Bücher mehr.
Nach dem Maarbuch erstmal die ganzen neuen Autorinnenentdeckungen googeln und lernen lernen lernen und lesen lesen!
Maar schwärmt von Tschechow und vergleicht ihn mit Kafka, zitiert aus dem Proceß die Stelle: „Entsetzt und mit kaltem Schweiß erhob [er] sich …“ usw. Stichwort kalter Schweiß. Kafka darf das sagen, nicht, weil er Kafka ist (also eigentlich ja auch, aber eben:), sondern weil er erstens Nebenräume nicht verfloskelt und zweitens: 1914/15 war der Kram noch keine Fitzek-ich-schreib-auch-mal-einen-Krimi-und-muss-da-auch-wirklich-viel-Schauer-reinbringen-Floskel. Ich kenne Fitzek nicht. Ich will den auch nicht kennenlernen, wie der immer durch die Mitte der Bestsellerlisten rumproletet. Du kannst den Satz, scheiß auf Fitzek jetzt mal ganz kurz, einfach nicht mehr schreiben heute: kalt den Rücken runter oder kalt auf der Stirn. Auch egal, was in den Satznebenräumen passiert: no go!
Musste mir ohne Geld dann doch noch den neuen Maar besorgen, bin da richtig zu Hartliebs reingestratzt, auf den Literaturwissenschaftsnamedroppstapel zugestürmt und hab mir die Halbleinen in die Innentasche gesteckt. Ich hatte ja nur noch sieben Minuten.
Nervt mich, dass ich mit Schmu von Trio Medusa immer wieder kleine Techtelemechtel hab wegen des Inhalts meiner zwei Seiten kurzen Radiogeschichten. Oft fangen seine Sprachis so an: Yoyoyo Cas was geht? – und ich weiß schon, was nicht geht. Nach 2,5 Minuten fragt er: Wie genau steht denn jetzt deine Geschichte, also inhaltlich jetzt, mein ich, also wie der Inhalt, wie passtn der Inhalt zu unserem Thema heute, yoyoyo? Ich liebe Schmu, aber da denk ich: Brudi, lies die Geschichte oder hör sie dir an, dann weißt dus. Sorry fürs Rumstänkern, aber ich bin ja kein verkackter Beipackzettel.
Eigentlich bin ich mir sicher: Rowohlt hat dem Maar gesagt: Digga, wir müssen da jetzt was nachschieben, die Schlange häutet sich, hau mal was raus, was du noch so aufm Desktop hast, da gibts sicher was und in der Zwischenzeit, hier hast du Fuffzichtausend, machst du die zweite Stilstudie, da gibts ja noch was, was denkste, Diggi? Maar: 100.000 und zwei Duplo-Riegel! Rowohlt: Ok, Brudi!
Komme zu nichts. Gleich wieder Besichtigungen und ich muss noch die Radiogeschichte einsprechen, baue ich mal das Gerätezeugs auf.
Heute noch gar nichts geschafft, weil morgens Arbeit und dann einkaufen beim dm, jetzt kochen. In der Buchhandlung in den neuen Maar reingelesen und ich finds großartig. Der macht eigentlich das, was ich gern können würde irgendwann mal: diese ganze Kopfliteratursache, die viel zu hoch irgendwo rumpfeift, einfach und witzig und fehlerhaft zu zeigen. Scheiß Genies. Ich stand bei Hartliebs mit meinem zu großen beigen Mantel und war mir selbst sofort viel zu literaturhaft da und hab mich in meine Stollenschuhe und in ein ranziges Fußballtrikot gewünscht.
Es sind genau diese Sätze, die nur um ihrer selbst willen dastehen: „Erst an dieser Stelle geht die geschichtspessimistische Tendenz der gesamten Überlegung in die rettungslose Auslieferung an die perpetuierliche Schöpfung durch den Einzelmenschen.“ (S. 51) Sie sind unauffällig, weil sie nichts aussagen. Klar bleiben, gerade die Literaturwissenschaft muss klar bleiben, sonst muss sie sich in 50 Jahren nicht wundern, wenn niemand mehr liest. Sie macht ja jetzt schon heuliheuli und mäkelt an allen schüchtern interessierten Studis rum, wenn sie im Benjamin-Semianr nix zu Nietzsche sagen können. Muss doch irgendwie möglich sein, dass die Leute Bock haben, wenn sie irgendwas noch nicht kennen, dass die nachm Seminar in die Buchhandlung gehen und sagen: hier einmal das. Als ob man für Proust n Bauernhof braucht. Proust hab ich in der ÖBB gelesen (und abgebrochen).
Verspätet angefangen, weil ich in Witold Gombrowicz’ Tagebüchern auf amazon in der Vorschau rumgelesen und über Ludwig Finckh nachgedacht habe, bei Wikipedia gesehen, dass sein Nachlass ja in Reutlingen liegt und ich aber nicht in Reutlingen bin.
Jetzt doch: Vom intellektuellen Eros.
Pause und dann auch aufgehört, weil WG-Besichtigung von Leuten. Weiß gar nicht, warum man keine Fragen stellt. Ganz toll ist immer, wenn wir von Plänen reden: Ja, ich hab auch vor, mehr Sport zu machen. Ja, Geld sparen, das ist ne super Sache. Ich hab noch 67,37€ für den Monat.
Bei Biofrische bestellt.
Das kam so: mein lieber Freund Felix, der mich nach Berlin in die Hansastraße begleitete, fragte mich kurz vor der Veranstaltung, sag mal, kannst du dir eigentlich vorstellen, über Willy zu promovieren. Und ich dann sofort und prompt und ohne nachzudenken: na sichi. Hab ich dann auch zwei Stunden später dem Hosemann erzählt (dem ich davor auf die Toilette gefolgt bin), dass ich das ja schon länger vorhätte und das ich da schon mit Profs im Gespräch sei, dabei wollte ich ihm eher meinen Roman verticken. Die Vorbereitung ist wie immer bei mir: karg und unakademisch. Ich habe Musil gelesen, ich habe Willemsen gelesen, aber auch viel gehört, vielleicht sogar mehr gehört und gesehen als gelesen. Ich liebe beide, was durchaus ein Problem ist, zu viel Leidenschaft kann das auch echt vermiesen, deshalb erstmal: eine Distanz zu beiden gewinnen. Meine Strategie: anfangen. Zeitplan, den ich mir ausm Promotionshandbuch geklaut hab, solche Fragen versuchen zu beantworten: wie schreibe ich eigentlich ein Exposé? (Hilfe: Uni Osnabrück), Dateien anlegen, Mindmaps, möglichst vieles digital halten, damit ichs wiederfinde, mein erster Gedanke: wirklich Papiermappen anzulegen. Ich starte das alles, weils mich überfordert und weil ich mich heillos dareinstürzen will, weil ich Bock habe, weil ich dem um Längen nicht gewachsen bin und weil ichs ja auch nice finde, so viel Eitelkeit muss ich mir dann auch einfach mal eingestehen, nach der dringenden Empfehlung von Frau Jost und Herrn Fahl, ich solle doch eine Ausbildung bei Nissan machen, das sei doch für alle Beteiligten das Beste und die Gemüter (die Gemüter!) Beruhigendste, jetzt eine Diss zu schreiben.
Lektüre: Musil-Handbuch über Rezeption. Willemsen kommt da kein einziges Mal als Schriftsteller vor, in anderen Kapiteln nur als Literaturwissenschaftler. Danke auch. Hier haben wir die entsetzliche Forschungslücke, die ich ja wie einen stinkenden Käse in die Stiftungsräume stellen muss: bitteschön. Deshalb mach ichs. Was habe ich eigentlich vor? Wo will ich hin? Was lese ich zuerst? Mal sehen vielleicht: könnte ja sein, dass ich die ganzen poetologischen Willemsenschwerpunkte in seinem Musilbuch finde, also im zweiten, Vom intellektuellen Eros. Könnt ja sein. Aber ich mach mal erstmal mit dem Handbuch weiter. Schnuppelig von mir, dass ich das hier auch so strengliteraturwissenschaftlich einleiten muss.
Und übrigens: draußen sind Krähen.